Frank: Dann herzlich willkommen zu Alternativlos, die Folge Numero 26.
Fefe: Mit dem Gast Gaby Weber, eine investigative Journalistin die sich unter anderem mit Argentinien beschäftigt, mit Mercedes-Benz in Argentinien, mit Eichmann und mit weiteren lustigen Geschichten, die wir hier der Reihe nach ansprechen wollen.
Frank: Ja, die Sendung ist ein bisschen eine Lektion in: Was ist denn eigentlich wirklich passiert in der Geschichte? Wir hatten ja in einer der vergangenen Folgen schon mal drüber geredet, wie man Geschichte interpretieren kann und wie groß der Unterschied zwischen den Dingen, die aufgeschrieben werden, die es in die Geschichtsbücher machen, die es in die Wikipedia oder die Tagesschau machen und dem, was wirklich passiert ist. Und Gaby hat sich offenbar dem so ein bisschen verschrieben, herauszufinden, was wirklich passiert ist.
Fefe: Hallo Gaby.
Frank: Herzlich willkommen.
Gaby: Danke.
Fefe: Als Einführung die Geschichte von Gaby. Dass sie Argentinienkorrespondentin ist von ARD? Richtig? WDR?
Gaby: Von diversen Sendern.
Fefe: Und ursprünglich ging es um Mercedes-Benz, die unter der Diktatur von Betriebsräten die Babys entführt haben sollen. Eine ganz unglaubliche Geschichte wenn man das so hört – oder wie war das?
Gaby: Naja, ein bisschen komplizierter ist es. Es gab in Argentinien eine Militärdiktatur zwischen '76 und '83 und da haben die großen Firmen, unter anderem Mercedes Benz Argentina, die haben die Gunst der Stunde genutzt und haben die Betriebsräte, die bei ihnen Sabotage gemacht haben, oder kürzere Arbeitszeiten oder Freiräume... oder – nerven – das was Gewerkschafter eigentlich tun sollten...
Fefe: Die ihren Job gemacht haben.
Gaby: … die ihren Job gemacht haben. Und die haben sie dann als Terroristen den Militärs verpfiffen und damit ist irgendwie klar, was dann passiert ist: Die haben sie dann zu Hause abgeholt, haben sie durchgefoltert und haben sie dann aus Flugzeugen in den Fluss geworfen und die sind bis heute verschwunden. Insgesamt 14. Im Rahmen dieser Recherchen ist mir dann aufgefallen, dass die Manager von Mercedes-Benz, aber auch von anderen deutschen Firmen wie Bayer, auch die Gunst der Stunde genutzt haben und sich Babys unter den Nagel gerissen haben. Also während der Militärdiktatur sind ja auch schwangere Regimegegnerinnen verhaftet worden. Und das war am Anfang sehr kompliziert, denn die wurden erst mal gefoltert und dann haben mehrere von diesen schwangeren Gefangenen ihr Baby verloren wegen der Folter. Ich möchte darauf verzichten, Euch zu beschreiben, wie sowas abgeht. Und dann ist die katholische Kirche, die ging ja ein und aus in Folterzentren, und die haben gesagt "Naja, dass ihr hier die Terroristen foltert und dann ermordet, das ist ja Ok, aber das ungeborene Leben, das ist nicht Ok, das gilt es zu retten". Und dann ist sozusagen ... auf deren Initiative hin hat man dann durchgesetzt, dass die Frauen erst mal nicht gefoltert werden, dass sie entweder einen Kaiserschnitt kriegen oder ihre Kinder auf die Welt bringen können. Dann hat man ihnen die Babys weggenommen, sie wurden dann auch getötet, und die Babys landeten dann in Familien von entweder hohen Militärs, aber eben auch von Managern von Großunternehmen, eben Mercedes-Benz, Bayer, und und und. Und da gibt es mehere Fälle von Mercedes-Benz und in dem Fall bin ich auch Nebenklägerin.
Fefe: Also wenn ich so was höre, dann denke ich ja: Das klingt so weit hergeholt. Wie kommt man denn dazu, sich mit so einem Fall zu beschäftigen? Also klingt das nicht auch, wenn man zum ersten Mal die Anschuldigungen hört, schon so derartig unglaublich, dass man da die Finger von lässt? Wie bist Du zu dem Fall gekommen überhaupt? War das Deine Initiative oder haben die Dich angesprochen, die Nachfahren der Opfer? Was für Papiere gibt es überhaupt zu so etwas? Ich kann mir nicht vorstellen, dass da irgendjemand etwas aufhebt nach solchen Gräueltaten.
Gaby: Ja, das dachten wir auch alle, aber es gibt ja doch sehr viele Archive immer noch und es kommt immer noch etwas raus. Also das Thema der Menschenrechte ist in Argentinien in aller Munde und das ist ganz wichtig für die Gesellschaft. Das ist ja jetzt, '83 wurde das wieder demokratisch, dann gab es Amnestiegesetze, die gibt es seit fast zehn Jahren eben nicht mehr und seitdem laufen Prozesse in Argentinien.
Gaby: Wobei sehr schwierig ist, wenn man sich wirklich um die wirtschaftliche Macht kümmert. Das ist ja in Deutschland auch nicht anders gewesen, nach 1945. Man hat SS-Leute, Leute aus den Konzentrationslagern, sehr lange Zeit später erst angefangen zu verfolgen. Herr Abs, damals Deutsche Bank während des Krieges, den haben die Militärs – die Alliierten – vor Gericht gestellt, aber dann wurde er rechte Hand von Adenauer. Und gerade Adenauer hat ja seine Macht auf diese Leute basiert. Damals waren in der Bundesrepublik alle Behörden, die Repressionsbehörden sowieso, aber auch die deutsche Wirtschaft, voller Nazis. Und in Argentinien ist das eigentlich nicht unbedingt viel anders. Also die Repressionsbehörden werden jetzt gesäubert, aber in der Wirtschaft, das ist eben schwieirg. Und die sagen "Wir haben ja nicht selbst gemordet, wir haben eben nur gesagt, wer diese Leute sind" und das Unternehmen, in diesem Fall Mercedes Benz, oder die Daimler AG, vertuscht eben alles, soweit es geht. Aber es gibt schon noch Dokumente. Das ist gar nicht die Frage.
Fefe: Welche Art von Beweisführungen kann man denn überhaupt führen bei solchen Verfahren, die vierzig Jahre zurücklegen – fünfzig Jahre. Ich meine, gibt es da überhaupt noch – selbst, wenn Du sagst, es gibt da noch Akten, die man irgendwo finden kann – das kann ja schon mal nicht einfach sein, die überhaupt zu finden, und wenn man die dann mal hat, ist das nicht alles eh verjährt? Ich stelle mir das nicht so einfach vor, jetzt irgendwelche Firmen zu belangen, die es in der Zwischenzeit eventuell nicht mehr gibt, sogar, wenn die zugemacht haben oder verstaatlicht wurden, wegen anderer Missetaten…
Gaby: Wir reden ja nicht von der Mafia, wir reden von Großunternehmen.
Frank: Die Unterschiede können da ja fließend sein, aber…
Gaby: Ja, die Methoden und die Ethik ist sehr ähnlich, um nicht zu sagen: fast identisch. Aber die innere Logik ist natürlich eine völlig andere. Die müssen schon Rechenschaft ablegen. Die müssen Steuererklärungen machen. Da gibt es Angestellte, die werden sozialversichert. Da weiß man, wer die sind, wann die Arbeitsverhältnisse aufgehört haben. Das ist dann schon merkwürdig. Ich habe ja die Unterlagen, die haben die Verschwundenen ja noch zehn Jahre lang als Arbeiter weitergeführt und auch die Löhne noch weitergezahlt, weil sie Angst hatten, dass sonst die Witwen auf die Barrikaden steigen. Man kann da eine ganze Menge machen. Es gibt ja die Überlebenden noch. Es haben von den Betriebsräten drei auch überlebt, die sind gefoltert worden. Die haben Aussagen gemacht, vor argentinischen Gerichten, auch vor deutschen Gerichten. Und zur Frage der Verjährung: Das sind ja nicht einfach Straftaten. In Argentinien verjährt Mord auch nach 20 Jahren. In Deutschland verjährt Mord gar nicht …
Fefe: … mehr. Das ist ja auch eine Sache erst nach dem zweiten Weltkrieg …
Gaby: Ja, in den sechziger Jahren wurde das erst geändert wegen der Nazis. Aber wir reden ja hier von Verbrechen gegen die Menschheit. Crimes against humanity. Das wird in Deutschland leider immer falsch übersetzt mit "Verbrechen gegen die Menschlichkeit", muss man irgendwann auch mal richtig übersetzen. Also das sind ganz schlimme Strafttaten, die nicht verjähren, und insofern kann man ja immer noch die Beweise suchen und auch finden. Ich will da ein Beispiel erzählen: Wir haben immer gedacht, es muss irgendwo das Geheimarchiv der Militärs sein, vor allem, was die Babys angeht. Die Menschenrechtsgruppen schätzen, da sind noch insgesamt 500 Babys den Regimegegnerinnen weggenommen worden und anderen Leuten gegeben worden. Davon sind 105 inzwischen aufgeklärt, die haben ihre wahre Identität inzwischen wiedererlangt. Fast alle diese Fälle sind dadurch entstanden, indem sie selbst Zweifel hatten, dass ihre Eltern wirklich ihre richtigen Eltern sind und dann von sich aus einen Gentest verlangt haben.
Wir suchten immer danach und ich habe dann schon, das war 2005, die Geburtsurkunden von dem Daimler-Manager Juan Ronaldo Tasselkraut – bzw. seinem Bruder bei der Justiz eingereicht. Der Tasselkraut war auch der Manager, der auch die Betriebsräte den Militärs ausgeliefert hat. Und er hat in seiner Familie drei Kinder, von denen ich meine, inzwischen auch weiß und beweisen kann, zumindest von zweien, dass sie in Folterzentren auf die Welt gekommen sind. Also 2004 konnte ich das noch nicht beweisen, da hatte ich nur einen Verdacht und habe die Geburtsurkunden, die ich über das Standesamt mir besorgt habe, bei der Justiz eingereicht. Da habe ich gesagt: Passt auf, hier sind die Geburtsurkunden, da steht drinne: zwei Tasselkraut-Babys, sind dann und dann während der Diktatur in einer "Hausgeburt" geboren worden. Das ist sehr unüblich, Hausgeburten. Auch Leute, die kein Geld haben, gehen in öffentliche Hospitäler und bringen da ihre Kinder zur Welt. Und die Hebammen, die dort unterschrieben haben, die sind in X andere Fälle von Menschenrechtsverletzungen verwickelt. Und außerdem wussten die Kinder das und haben in der Schule erzählt, dass sie adoptiert sind, hier sind sie als biologische Kinder eingetragen.
Gaby: So, dann wussten sie, das war das Jahr 2004, wussten sie erst nicht, was machen sie jetzt damit. Die wollten das zuerst natürlich nicht weiterverfolgen. Mercedes Benz produziert in Argentinien noch, da gibt's noch Arbeitsplätze, und, und, und. Dann haben sie drei Jahre fast gar nichts gemacht, dann haben sie 'nen Prozess gemacht, wo sie dann auch die Kinder – also inzwischen sind das dreißigjährige Männer – vorgeladen haben und die haben da gesagt: "Ja, wir wussten ja immer, dass wir adoptiert waren" und da haben die Richter "okay" gesagt und dann sind zwar diese Geburtsurkunden gefälscht, aber das ist dann verjährt. Wir sprechen diese Leute frei.
Das einzige, was sie ermittelt haben, ich habe mir dann die Akte geholt, das kann ich ja als Nebenklägerin, das ist der Vorteil. Und stelle fest: Die einzige Ermittlungshandlung, die die Staatsanwaltschaft vergenommen hatte, war: Sie haben geguckt, ob die von mir eingereichten Geburtsurkunden auch echt waren. Dann haben sie beim Standesamt angefragt und merkwürdigerweise auch bei einer Behörde, die nennt sich "Nationales Register für Personen", wäre hier in Deutschland vielleicht die Meldebehörde. Also eine Polizei-interne Behörde. Und haben da auch noch mal gefragt, wie ist das, habt ihr 'ne Geburtsurkunde. Und beim Standesamt kam genau das selbe, was ich auch schon eingereicht hatte, aber das Meldeamt hat eine Geburtsurkunde vorgelegt, "Ja, das sind die Tasselkraut-Kinder", aber keine Hausgeburt. Da stand irgendeine Adresse drin, in St. Martin, die kannte ich nicht. Und dann habe ich Freunde vorbeigeschickt und die haben gesagt: "Aha, das ist die Militärakademie." – eins der berüchtigsten Folterzentren während der Militärdiktatur. Das heißt: Die hatten auch ihre Eichmänner, die ganz sorgfältig ihre Bücher geführt haben und gesehen haben: In den eigenen Büchern müssen wir natürlich reinschreiben, was gewesen ist. Das sind Urkunden. Das sind riesige Register und da ist jetzt alles eingetragen. Also man kann heute sagen, die Beweise liegen auf dem Tisch. Die Babys vom Bruder des Mercedes-Manager Tasselkraut sind in einem Folterzentrum zur Welt gekommen. Auf dieser Grundlage sind sie freigesprochen worden. Und die Firma Daimler hüllt sich in peinliches Schweigen und sagt dazu nichts.
Fefe: Also die Ermittlung klingt jetzt für mich eher so, als wenn die versucht haben, Dein Verfahren abzuwehren, als wenn es darum gegangen wäre, da jetzt tatsächlich irgendwas zu ermitteln …
Gaby: Ne, die wollten natürlich nicht ermitteln. Wie gesagt, sie haben nur ein bisschen da rumgeguckt, ob sie mir was ans Bein binden können, um zu gucken, hat sie vielleicht da selbst was gefälscht. Das war das einzige. Ansonsten haben sie die von vornherein freisprechen wollen.
Fefe: Kann man das allgemein so sagen, bei Sachen, die Du recherchierst, dass die eigentlich eher gegen Dich arbeiten, die Gerichte, als für die Gerechtigkeit? Wenn Du da mit irgendwie peinlichen Sachen kommst, dass die dann … oder ist die Justiz … also kann man irgendwie so einen Restglauben an die Justiz aufrechterhalten, will ich wissen? Dass man sagt: "Naja, also aber im Gros arbeiten die schon integer und es lohnt sich überhaupt, so ein Verfahren zu machen."
Gaby: Man muss da sehr genau hingucken. Also wir haben jetzt über die argentinische Justiz geredet. In Argentinien finden im Moment Verfahren statt gegen Folterer. Eben das sind auch diese Brutalotypen, die in den Konzentrationslagern waren oder die die Einsatzbefehle gegeben haben. Irgendwelche Generäle. Diese Verfahren finden statt. Da gibt es auch politischen Willen. Eine andere Sache ist, wenn es wirklich um ganz viel Geld geht. In Argentinien hast Du noch das Problem, dass die Leute auch einfach korrupt sind. Da gibt es wirklich Leute, ich kenne Anwälte und die haben mir das erzählt, gibt es Leute, die gehen mit dem Geldkoffer dahin und dann wird das so geregelt. Das ist sicher nicht der Fall in Deutschland …
Fefe: … ja das gibt's bei der CDU auch gelegentlich …
[Gelächter]
Gaby: Ist mir bei der Recherche aber noch nicht in Deutschland über den Weg gelaufen, kann sein. Und in den USA wird das auch anders geregelt. In Deutschland war es völlig unmöglich, die Anzeigen sind ja alle vorher gestellt worden in Deutschland, sowohl gegen Tasselkraut wegen Mordes an den Betriebsräten, Beihilfe zum Mord, als eben auch wegen der Babys. Und die deutsche Justiz hat die Verfahren wegen der Babys gar nicht erst eröffnet, weil sie gesagt haben, die Kinder möchten das nicht. Im Fall von den Verschwundenen haben sie ein bisschen herumermittelt und dann nach drei Jahren gesagt: "Achja, wir können ja gar nicht beweisen, dass die Verschwundenen wirklich tot sind, vielleicht kommen sie ja irgendwann mal wieder und sind wieder da."
Fefe: Wie, die Ausrede war nicht, dass das in Argentinien war – das hätte ich jetzt vermutet, dass sie sagen "wir sind nicht zuständig, weil die Verbrechen auf argentinisch"
Gaby: Nö. Die Firma ist ja eine deutsche Firma und der Tasselkraut ist auch deutscher Staatsbürger.
Fefe: Aha …
Frank: Die sind schon zuständig und wie kamst Du jetzt von diesen Verbrechen während der Militärdiktatur und den Daimler-Managern zu Eichmann?
Gaby: Dazwischen liegt noch eine andere Station. Ich werde oft gefragt, was mich da so motiviert, warum ich mich da so festgebissen habe, in der Wade von dieser Firma.
Gaby: Ihr müsst euch einfach mal vorstellen, wir sind dann mit Leuten aus Argentinien auch zu den Hauptversammlungen gegangen, zu Daimler, hier im ICC, wo dann zehntausend Aktieninhaber sitzen. Von den zehntausend sind fünfzig wichtig. Das sind dann Vertreter von Fondgesellschaften. Alle anderen gehen dahin, weil da kriegt man umsonst Würstchen und so. Die wollen sich dann mal diese Pappnasen aus der Nähe ansehen. Ihr müsst euch einfach mal diese Fressen von diesen Leuten ansehen, mit was für einer Selbstgerechtigkeit die da oben sitzen und einfach sagen: "Ihr könnt uns alle mal". Du kommst dann immer mit dem Gefühl raus, bis heute nehmen sie sich das Recht raus, Leute als Terroristen anzuschwärzen, die ihnen nicht in den Kram passen und foltern und ermorden zu lassen. Wenn die von Anfang an … also meine erste Geschichte war in 1999, das ist jetzt vor 13 Jahren, wenn die irgendwie mal im zweiten Jahr oder so gesehen hätten "Aha, das Ding läuft noch, wir setzen uns jetzt mal hin, wir entschuldigen uns. Wir sagen, wir haben vielleicht nicht genug getan, wir gucken, wer ist denn jetzt noch überlebend, können wir da noch was machen …" dafür müssen die nicht mal in ihre Portokasse greifen. Hätten sie irgendwie ein bißchen Zerknirschung gezeigt und sich ein bisschen entschuldig, dann wäre das Ding gar nicht so groß geworden. Aber diese Fressen zu sehen und diese Selbstgerechtigkeit, die genau wissen, sie können sich auf die große Presse verlassen. Im Wesentlichen natürlich über die Anzeigen, die sind einer der größten Anzeigenkunden überhaupt. Die Bundesregierung wollte natürlich nichts tun, was eine deutsche Traditionsfirma in die Klemme geraten lässt; und die Justiz, die Erfahrung in Deutschland ist: Diese Verfahren waren nicht möglich in Deutschland zu eröffnen.
Insofern ist das eigentlich fast die größte Motivation, die ich so hatte. Aber zurück zu deiner Frage, "was kam danach?" – Ich habe mich dann um die Geschichte der Firma gekümmert, Mercedes Benz Argentinien, wie kamen die überhaupt dahin. Das weiß man ja auch nicht. Die sagen immer: "Ja, Deutschland, deutsche Auslandsinvestition 1951, eine der ersten Auslandsinvestitionen nach dem Krieg, und alles wunderbar". Naja! Wenn man ein bisschen anfängt zu gucken, es ist richtig, die sind 1951 gegründet worden in Argentinien in Zeiten enger Zusammenarbeit mit General Juan Domingo Peron. Das Glück dabei ist, die sind 1955 beschlagnahmt worden, die ganze Firma und ist dichtgemacht worden bis 1959. Da kam raus, es war eine riesige Geldwaschanlage von Nazigeldern, die die während des zweiten Weltkrieges aufgrund von guten Geschäften, die sie mit dem Naziregime machen konnten, oder mit der Zwangsarbeit oder mit sonstigen Deals, haben die gebunkert und haben die dann wieder über das Dreiecksgeschäft über Argentinien gewaschen, sozusagen.
Frank: Kannst Du mal erklären, wie das lief? Also wie war der Mechanismus hinter dieser Geldwäsche?
Gaby: Das ist 'ne ganz komplizierte Geschichte gewesen. Ich sag dir vielleicht vorher noch eins: Es gab damals – sie sind 1955 beschlagnahmt worden, beim Putsch gegen Peron, das war ein Militärputsch – da haben die gesagt, das ist ein Riesenkorruptionsding gewesen, wir klären das jetzt auf. Und es gab dann auch eine parlamentarische Untersuchungskommission zu Daimler und die Staatsanwaltschaft hat ermittelt wegen Geldwäsche, Korruption und, und, und … Und diese Dokumente waren die ganze Zeit weg, die gab es einfach nicht. Und die habe ich 2002/2003 gefunden. Richtig mit der Brechstange in der Hand bin ich da eingeb– ne, nicht eingebrochen, neben mir war die Chefin vom argentinischen Bundesarchiv. Da haben wir Schlösser aufgebrochen, wo diese Akten lagen und die durfte ich damals einsehen und kopieren und auswerten. Das was ich sage, basiert auf diesen Dingen, darüber habe ich auch ein Buch geschrieben und Daimler hat das nicht dementiert – im Gegenteil. Damals haben sie mich noch in ihr Archiv gelassen.
Fefe: [lacht] Heute nicht mehr …
Gaby: Naja, zu den ganzen Geschichten, zu den Babys und zu den Verschwundenen sagen sie, da läuft ein Verfahren in den USA, das möchten wir jetzt abwarten, da möchten wir sie nicht reinlassen.
Fefe: Aber das läuft ja auch wegen dir, oder? Oder zumindest mit Deiner …
Gaby: Das geht um Dinge, die ich recherchiert habe und ich habe den Familienangehörigen sehr zugeredet, dieses Verfahren in den USA zu eröffnen.
Fefe: Wie kommen denn die USA …
frank: Können wir mal den Faden … sonst fasern wir … Also wir waren bei der Geldwäsche.
Gaby: Bei der Geldwäsche. Die haben ab 1951, das war zu Zeiten von Peron, mit einer ganz strikten Devisenkontrolle, da ist jeder Peso, der in das Land reingekommen ist – oder Dollar oder D-Mark, oder schweizer Franken, total erfasst worden.
Gaby: Aber irgendwie kamen dann die Daimler-Manager, ich kenne auch die Flüge, ich weiß, mit welchen Flugzeugen die kamen, die Flugnummer, den Schiffen, mit den Frachtern kamen die an, haben in Montevideo, das ist in Uruguay direkt gegenüber, auf dem Schwarzmarkt, da war nie Devisenkontrollen, haben sie zum günstigen Kurs getauscht, kamen zurück und haben damit insgesamt 65 riesige Aktiengesellschaften aufgekauft und zwar meistens mit Cash – eigentlich immer mit Cash.
Frank: Und das war Geld, was sie – wo hatten sie das gebunkert, wo kam das her?
Gaby: Das kann man nur vermuten. Die Flüge gingen immer aus der Schweiz.
Frank: Oh, okay. Praktischerweise.
Fefe: Gut, macht Sinn.
Gaby: Und sie bestreiten das ja auch alles nicht. Und es gibt da ja auch Zeugenaussagen ihrer eigenen Mitarbeiter, die sagen: So ist das dann eben gewaschen worden. Dann haben die investiert, nicht nur im Bergbau, sie haben natürlich auch in eine Automobilfirma, Lastwagenfirma investiert. Sie haben vor allem in der Flugzeugindustrie investiert. Sie haben das halbe Land damit augekauft und sie haben damit auch Lebensmittel ins Nachkriegsdeutschland wieder exportiert und haben sozusagen über dieses Dreiecksgeschäft Export/Import schlicht und einfach Geld gewaschen. Sie haben doppelte Buchführung gemacht, die habe ich auch, die schwarz-Buchführung, können sie also gar nichts bestreiten. Sie haben auch überhöhte Rechnungen gestellt, um diesen Geldfluß zu legitimieren.
Das ist irgendwann mal, weil die Konkurrenz darüber natürlich geärgert hat, dass immer bei allen Ausschreibungen die Deutschen gewinnen, weil sie unterbieten, ist das dann mit dem Putsch gegen Peron aufgeflogen und ist dann auch untersucht worden. Dann haben sie erst 1959 wieder ihre Pforten eröffnen können. Da gab es einen Arbeiter – sie hatten wieder Leute eingestellt – und einer davon war Ricardo Clement alias Adolf Eichmann, als Elektriker hat er da einen Job gekriegt.
Frank: Okay, und wie kamst Du dann zu dem?
Gaby: Na, durch die Geldwäsche.
Frank: Wie kommt man jetzt … Geldwäsche ist ja jetzt so ein großes Thema. Und bist Du dann zufällig drüber gestolpert, dass sie den eingestellt haben?
Gaby: Ich habe im Rahmen diese Geldwäschegeschichte … in dem Fall hat mir auch die argentinische Regierung, das war in 2003/2004, da war Kirchner noch dran – Néstor Kirchner – das war eine gute Zeit. Heute vertuschen die auch alles, aber damals waren die noch ganz offen für solche Recherchen. Dann haben sie mir zum Beispiel – ich wollte wissen, wer hat da gearbeitet – und ich habe die gesamten Sozialversicherungsbelege bekommen, wer da jemals gearbeitet hat, bei Mercedes Benz bis 1972 oder so.
Und das waren alles Nazis, die oberen, die Chefetage, das waren alle Nazis aus Deutschland, die kamen nach dem zweiten Weltkrieg. Bei vielen weiß ich's, bei vielen vermute ich's. Die sind mit falschen Papieren gekommen, mussten auch untertauchen. Das war dann klar, dass das auch ein Unternehmen war, wo auch Leute untergetaucht sind, die weg mussten, aus Deutschland. Nazis, die belastet waren und erstmal eine Zeit lang – die wollten in den 1960er Jahren ja wieder zurückkommen – untergetaucht sind, bei Mercedes Benz in Argentinien. Und einer davon war dann Adolf Eichmann. Natürlich abe ich am Anfang das geblaubt, was alle geglaubt haben, das was der Mossad in Büchern noch und noch erzählt, dass der Mossad 1960 Adolf Eichmann in einer heroischen Aktion, nach einer jahrelangen Suche in Argentinien entführt haben will und nach Israel ausgeflogen haben will.
Und die Geschichte stimmt so nicht. Wenn man mal anfängt, die Sache so ein bisschen hochzuheben, die stimmt hinten und vorne nicht und die ist eigentlich auch ganz schlecht zurecht gebogen. Ich kriege ja öfters den Vorwurf einer Verschwörungstheoretikerin, wenn das eine Verschwörung gewesen wäre, dann hätten die das richtig gut eingefädelt. Aber es stimmt schon rein praktisch nicht. Der Mossad sagt bespielsweise, sie haben Eichmann mit dem Flugzeug El Al Bristol Brittania von Buenos Aires mit einem Zwischenstopp in Dakkar direkt nach Israel geflogen. Dann guckst Du die Brittania dir an, die hat auf dem Hinflug in Brasilien Zwischenstopp zum Auftanken gemacht. Dann fragst den den Hersteller, kann die überhaupt soweit fliegen, da sagen die "nein, das kann die gar nicht". Die mussten irgendwo in Brasilien zwischenlanden, es geht nicht anders, es sei denn, sie hätten eine Luftbetankung gemacht …
Frank: Die es für diesen Flugzeugtyp wahrscheinlich gar nicht gibt.
Gaby: Ja, ne! Wahrscheinlich nicht, ist aber auch egal. Auf jeden Fall stimmt es hinten und vorne nicht. Da muss also ganz viel gelaufen sein, was eher auf eine Improvisation hindeutet, als auf eine richtige Verschwörung.
Fefe: Es gibt noch zwei Punkte, die wir jetzt am Rande übersprungen haben, die ich aber sehr wichtig finde. Erstens die Nazis in Argentinien rechneten fest damit, dass sie demnächst nach Deutschland zurückkehren können würden, weil ihre Straftaten verjähren würden. Das habe ich vorhin schon kurz erwähnt, dass Mord keine Verjährung hat in Deutschland, das war damals noch nicht so. Die Naziverbrechen, das war Beihilfe zum Mord, nach fünfzehn Jahren wäre das verjährt gewesen und Mord selbst nach zwanzig Jahren. Das wäre 1960 bzw. 1965 gewesen. Das heisst, die Nazis haben gedacht, sie müssten in Argentinien jetzt die paar Jahre überbrücken und kommen dann zurück nach Deutschland und regieren in Ruhe weiter, nicht? Das war der Plan. Und das hat mir so in der Schule keiner erzählt. Das fand ich eine starke Einsicht an der Stelle, die hat mich auch echt umgehauen, überhaupt die Stirn zu haben, wir machen dann einfach weiter.
Gaby: Das ist ganz wichtig, dass Du das erwähnst. Heute kennen wir den internationalen Strafgerichtshof, wir reden von Verbrechen gegen die Menschheit, wir reden davon, dass man diese Leute verfolgt. Ein paar Leute sind ja dann auch verfolgt worden, irgendwie. Das war eben damals völlig anders. Und gerade eben der Adenauer-Staat, der CDU-Staat der 1950er Jahre, der wusste eben nicht, kommen diese Leute zurück, fordern hier ein. Die werden auch wieder in die Parteien zurückgehen, selbst wenn wir schaffen, weil es die Amerikaner wollen, keine neuen Naziparteien zuzulassen. Aber die FDP war voller Nazis, zum Beispiel, die hat die mit offenen Armen aufgenommen und die anderen Parteien – jetzt nicht so sehr wie die FDP – aber auch. Und die Medien, wir können ja auch mal über die Nazis in den Medien reden. Beim BND wissen wir das und beim BKA, aber über die Medien reden eigentlich immer weniger. Da hat es ja auch diese Leute gegeben, und wer war denn der SPIEGEL-Korrespondent in Südamerika? Das war der langjährige engste Mitarbeiter von Herrn Göbbels gewesen, nämlich Winfried von Oven, dem hat der Rudolf Augstein persönlich seinen Presseausweis unterschrieben. Die ganze SPIEGEL-Redaktion, die Auslandsredaktions vom SPIEGEL, war durchsessen. Das ist jetzt nur ein Medium, die anderen waren nicht anders. Und man wusste auch nicht, was passiert, die kommen zurück und wie wären die verwaltungsgerichtlichen Prozesse ausgegangen, wenn die ihre Karrieren wiederhätten restituieren – als wiederherstellen wollen? Da wäre das Beamtenrecht zum Tragen gekommen? Ich vermute mal, ja! Dann wären die wieder auf ihre Posten – sie hatten ja kein Strafverfahren, also hätte die Unschuldsvermutung gegolten, es war auch alles verjährt, man hätte das auch nicht mehr aufrollen können … als spielt das mal durch, was da auch hätte passieren können, wie dann die Bundesrepublik, wie da Westeuropa ausgesehen hätte, mit diesen Leuten in den hohen Positionen wieder. Das war aber …
Fefe: … ein Alptraum, ja …
Gaby: das war das Ziel.
Frank: Diese Entscheidung, dann Mord und Kriegsverbrechen nicht verjähren zu lassen, wer hat die denn dann getroffen?
Fefe: Das habe ich die Tage recherchiert, in der Wikipedia. Und das läuft unter dem Stichwort "Sternstunde des Parlamentarismus" …
Gaby: … die andere große Mossad-Lüge …
Fefe: … was ich ja dermaßen obszön fand. Wenn man sich das dann nämlich durchguckt, das ist ja nicht so, dass sie gesagt habe, das verjährt jetzt mal nicht, sondern die haben erst gesagt, hmmm, das würde demnächst verjähren, da machen wir mal fünf Jahre länger, weil die Bundesrepublik hat ja erst 1949 richtig angefangen, zumindest um diese Zeit sollte man es verschieben – wie üblich in der Politik.
Dann ist die Zeit umgewesen, ohne dass irgendjemand verfolgt wurde, "naja, machen wir nochmal fünf Jahre…", also so ging das ja, das war so eine Salamitaktik. Keineswegs der moralische Aufschrei und "wir müssen jetzt mal …!, wir machen das jetzt mal richtig". Nein, überhaupt nicht! Und es gab lange Debatten, ob man das überhaupt machen kann, oder nicht, weil juristisch eben die Frage im Raum stand, ob man überhaupt Leute verfolgen kann, wenn nach dem ursprünglich zu dem Verbrechenszeitpunkt gültigen Gesetz das jetzt verjährt wäre. Da gab es dann auch diese Anwälte, diese Leute, Juristen wie der Globke, die heute die Vorratsdatenspeicherung juristisch verargumentieren, also diese Art von furchtbarer Rabulistik, ob man das jetzt so oder so machen kann, oder nicht. Das war überhaupt nicht klar, dass es so ausgehen würde. Erst nachdem eine große Debatte in Deutschland losging zu der Frage, hat sich das dann so entschieden. Und über zehn Jahre lief diese Debatte. Das war nicht, "wir machen das jetzt mal eben".
Gaby: Da gibt noch eine ganz kleine Anekdote dazu, die führt jetzt ein bisschen von Eichmann ab, aber führt wieder zum Mossad hin.
Gaby: Es gab … der Mossad … Israel sagt: "Ja, das ist richtig." In den 60er Jahren, das hat sich sehr lange hingezogen, diese Diskussion. Die SPD wollte diese Verjährung unbedingt aufheben und die war dahinter. Und dann gab es 1965, gab es auch so 'ne Geschichte vom Mossad, wo sie in Montevideo auch so angeblich so'n Nazi hingerichtet haben. Also da haben sie einen hingerichtet. Angeblich 'nen lettischen Nazi, auf dessen Konto auch sehr viele Morde gehen sollen. Ich hab' die Geschichte dann im jüdischen Museum in Riga mal recherchiert. Der Mossad hat da auch wieder etliche Bücher schreiben lassen zu und keiner hat protestiert. Die haben immer alle gesagt: "Uh, das ist wieder so'n wichtiges historisches Dokument." Also im jüdischen Museum in Riga haben sie gesagt: "Das ist nun ganz große Pillepalle." Da hätten sie dem Mossad schon ein bisschen mehr zugetraut. Aber so was läuft dann. Also die spucken irgendwas hin und glauben, ja, die Leute nehmen das dann irgendwie zur Kenntnis. Ich persönlich finde es gut, dass diese Dinge nicht verjähren, weil die Sachen sind so schlimm, dass sie schon weiter verfolgt werden müssen. Hat aber trotzdem 'ne negative Konsequenz. Wenn die Sachen nicht irgendwann mal zu Ende sind, reden die Leute bis an ihr Lebensende nicht. Das ist sozusagen ein bisschen schade, dass auch von den ganzen alten Nazis im Grunde niemals jemand ausgepackt hat.
Frank: Das ist dieselbe Argumentation, die auch gegen den Internationalen Strafgerichtshof gebracht wird, dass dann gesagt wird: Ok, wenn die Leute keinen Ausweg haben, also wenn's halt irgendwie keine Verjährung, keine irgendwie geartete Möglichkeit gibt, da noch irgendwie rauszukommen oder irgendwie einfach auszupacken, dann tun sie's halt auch nicht, sondern halten halt den Mund und gehen in den Untergrund. Und auf der anderen Seite kann man natürlich sagen, irgendwie das Argument halt für die Gerechtigkeit überwiegt da. Das ist halt 'ne interessante Frage. Also hat man lieber Aufklärung, hat man lieber Gerechtigkeit oder kann's überhaupt Gerechtigkeit ohne 'ne gründliche Aufklärung geben? Das ist natürlich auch so ein spannendes moralisches Dilemma, was sich da aufspannt.
Gaby: Ja, aber wenn es doch um Aufklärung geht, dann könnte man doch einfach mal sagen, dass dann zum Beispiel alle staatlichen Archive doch geöffnet werden müssen in diesen Fällen, ...
Frank: Klar, natürlich.
Gaby: ... aber das Gegenteil ist doch der Fall. Also wir reden jetzt von Eichmann. Ich hab ja dann irgendwann mal, als ich dann gemerkt habe, das ist jetzt vier Jahre her, dass diese ganze Eichmann-Geschichte von hinten und vorne einfach nicht stimmt. Da hab ich dann gedacht: Ok, ich will jetzt mal vom BND wissen, die haben da ja auch 'ne ganze Menge von Nazis von Anfang immer gehabt, und hab' da 'ne Anfrage gemacht und der BND, das muss wohl die erste Anfrage gewesen sein, hat sich damals so selbstsicher gefühlt, also ich wollte wissen über Adolf Eichmann und die nukleare Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik, Israel und Argentinien. Und dann haben die mir da wirklich einen Brief zurück geschrieben und haben gesagrt: "Ja, Frau Weber, wir haben das, was Sie suchen. Viereinhalbtausend Blatt und wir werden das nie rausgeben und Ihnen sowieso nicht."
Frank [prustet]: Was??
Fefe: Das ist ja total bescheuert, das zuzugeben, dass sie das überhaupt haben. Aber wie sie sind halt ...
Frank: Ja ...
Gaby: Naja, der BND hat nicht die hellsten Köpfe, das wissen wir ja. Das war natürlich ein großer Fehler, weil da dachte ich mir: Das ist ja schön, jetzt werde ich erst mal ...
Frank: Das ist ja so ein bisschen wie so ein Lockköder. Ja so wie "Hier ist die Karotte" ...
Gaby: ... das gucken wir jetzt mal und dann bin ich zu Gericht gegangen, zum Bundesverwaltungsgericht und hab das klären lassen. Erstens haben sie dann gesagt: "Ja, von den 4500, da haben wir uns vertan, das sind nur 3500 und davon ..." Es gab dann so 'ne Salamitaktik, am Anfang haben sie ein bisschen was rausgegeben, dann noch was, dann noch ein bisschen, aber das Verfahren ist jetzt auch zu Ende. Frau Merkel legt Wert darauf, dass immer noch 100 Blatt von diesen 3500 oder 4500 Blatt geheim sind und dagegen gibt's jetzt auch nichts mehr zu machen. Also selbst zu Eichmann gibt es in der Bundesrepublik noch 100 Blatt Papier, die geheim sind und das Bundesverwaltungsgericht hat dem auch zugestimmt.
Fefe: Also was ich halt ...
Frank: Aus Gründen der ...
Gaby: Staatsraison.
Frank: ... der Staatsraison.
Gaby: Das Bundeskanzleramt hat argumentiert: "Es ist so 'ne angespannte Sicherheitslage, wir hängen von den Diensten im Nahen Osten, sprich Mossad, hängen wir ab. Wir möchten nicht, dass die sich ärgern und deshalb ..."
Frank: Nein, das haben die nicht gesagt ...
Gaby: Ja, das haben die so geschrieben! Die haben den Mossad nicht erwähnt, aber gesagt: "Wir sind auf die angewiesen, dass wir Informationen bekommen, und deshalb müssen wir uns daran halten, dass die da Sensibilitäten haben." Das heißt: Was wir erfahren, was die deutsche Öffentlichkeit, was die Weltöffentlichkeit über einen Nazimassenmörder erfährt, das macht Frau Merkel davon abhängig, was sich 'ne ausländische Plattfußorganisation so wünscht.
Frank: Und die Frage, die sich jetzt da natürlich stellt, ist jetzt die: Wenn Du diese Akten bekommst so nach und nach, also jetzt gerade jetzt zu Eichmann und die BND-Akten, dann fasert sich ja so 'ne Investigation irgendwie endlos auf, ne? Vermute ich mal. Also Du hast ja dann endlos viel Stränge. Und wie bist Du denn jetzt dazu gekommen, diese ganze Geschichte, die wir jetzt ja mal langsam erzählen müssten aus Deinem Buch, dass dieser Strang jetzt gerade der interessante, dieser Zusammenhangsstrang ist, den Du erzählen wolltest?
Gaby: Ja, Du stößt eine Tür auf und hast zehn weitere verschlossene Türen vor Dir. Das ist so. Ich bin relativ bald schon darauf gestoßen, dass es ein großes militärisches Projekt geben muss, zwischen Argentinien und der Bundesrepublik. Das war für die Bundesrepublik vor allem interessant, weil die Bundesrepublik hat ja – das war Bedingung für die Aufnahme in die NATO 1955, bzw. 1957 – auf die Entwicklung und Erforschung von ABC-Waffen verzichtet. Das steht aber in dem Text nur drin, "auf deutschem Boden". Und es hat sie jetzt natürlich niemand gehindert, in Argentinien diese Dinge weiterzuforschen, vor allen Dingen, was die atomaren Geschichten angeht. Die argentinische Atomkommission ist von deutschen Spezialisten aufgebaut worden. Das war auch das Interesse der Peronisten, aber auch von Argentinien, weil die sagten: "naja, gut da fällt für uns was ab. Wir holen die Leute hierher und wir lernen dann auch was." Das ist gemacht worden so bis 1955 und dann sind die auch wieder in die Bundesrepublik im Wesentlichen zurückgegangen, weil auch die Amerikaner zu verstehen gegeben haben, sie haben auch nichts gegen die atomare Aufrüstung der Bundesrepublik. Man hat dann atomare Sprengkörper auch in der Bundesrepublik stationiert. Wie war nun die Frage?
Frank: Wie hast Du nun den Strang gefunden, der am Ende in Deinem Buch mündet? Eben diesen Zusammenhang zwischen dieser Eichmanngeschichte zu der militärischen Zusammenarbeit, die dann eben passiert?
Gaby: Einfach auch wegen dieses Grads der Geheimhaltung, den die da machen und auch bis heute machen. Und dass es um ein atomares Projekt geht, das war mir von vornerein klar. Argentinien hat ja lange Zeit den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet – inzwischen ja – und sie haben immer die Option gehabt, auch eigene Atomwaffen – Waffen! nicht nur zivile Nutzung der Kernenergie – auch Waffen zu entwickeln, weil sie auch gesagt haben, "warum soll das Monopol der reichen Industriestaaten sein, wir wollen das auch haben". Inzwischen hat sich das Thema erledigt, aber wir reden jetzt vom Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre. Da war eben die engste Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik Deutschland von strategischer Bedeutung.
Und dazu kamen eben irgendwann mal die Israelis. Wo haben denn die Israelis für Dimona, für ihr Atomkraftwerk, ihr Uran her? Die haben's in Südafrika versucht. Die konnten das nicht machen, weil die Briten dagegen waren, die Nordamerikaner – also die USA – waren in den 1950er Jahren auch noch gegen eine israelische Atombombe, die wollten ihr Monopol natürlich behalten.
Frank: Frankreich hatte denen doch noch geholfen.
Fefe: … auch nicht freiwillig, sondern nach der Naza-Geschichte … nach dem Suez-…
Gaby: Für die Franzosen hat die israelische Luftwaffe Luftangriffe auf Ägypten 1956 geflogen. Aber dann gab es in Frankreich 1958 'nen Regierungswechsel, da kam de Gaulle. Und de Gaulle war das sowieso alles unheimlich und die Amis haben ihn unter Druck gesetzt, der wollte auch seine eigene Force de Frappe aufbauen, und da hat de Gaulle ihnen dann gesagt, ne, passt mal auf, das geht mit mir nicht mehr. Ihr könnt euch aber bei den Deutschen umgucken. Fakt ist, es gibt drei Uranlieferungen der Argentinier an Israel. Das ist alles per Dekret entschieden worden. Die Dekrete habe ich, die waren noch nichtmal geheim. Die kann man da aus so einem Ordner rausholen. 1960 das erste, da ging es nur um sechs Tonnen, 1962 nochmal zehn Tonnen und dann nochmal 1963 hundert Tonnen. Also eine riesige Menge eines Materials, das meldepflichtig ist und die Amerikaner wussten das. Ich habe die Dokumente – das Departement of Energy hat mir diese Dokumente freigegeben schon vor zwei/drei Jahren. Sie wussten von diesen Lieferungen der Argentinier an Israel. Eine Lieferung ging über Deutschland, über die Nukem …
Frank: … Hanau …
Gaby: dahinter steckt Degussa, das war damals noch eine hundertprozentige Tochtergesellschaft von Degussa und Degussa war zufällig die Firma, die das Patent von Zyklon B inne hatte, während des zweiten Weltkriegs – das Giftgas, mit dem die Juden vergast worden sind, in den Konzentrationslagern.
Gaby: Das ist alles aktenkundig, das kann man haben, die Sachen sind noch nicht einmal geheim. Shimon Peres war 1959 in Argentinien, hat eben auch mit den Argentiniern im Rahmen eines Schwerwasserprojektes zusammengearbeitet – die Akten sind auch bekannt – schon lange habe ich die Sachen rausgefunden, es gab dann schon ab 1959 eine Wissenschaftlerkommission der Max-Planck-Gesellschaft unter Anführung von Otto Hahn. Die ist nach Israel gefahren, die haben da engstens zusammengearbeitet. Die haben zur gleichen Zeit den Göttinger Appell unterschrieben, dass sie gegen Atombewaffnung der Bundesrepublik sind. Das war dann wohl in ihren Augen eine Art …
Frank: … Wiedergutmachen …
Gaby: … ja, wahrscheinlich ist das so, dass sie gesagt habe, die Israelis brauchen das, um ihren Staat zu sichern. Ja, das ist passiert, das ist auch alles nicht geheim. Es musste ein atomares Projekt dahinter sein.
Frank: Wie kamen denn die Nazis in Argentinien jetzt ins Spiel?
Fefe: Von denen kam die Atomtechnologie, die die Argentinier benutz haben. Also das ist auch spannend, wenn Du sagst, "Schweres Wasser", weil das ist so eine deutsche Spezialität. Die amerikanischen Verfahren funktionieren nicht mit schwerem Wasser, sondern die reichern ihr Uran an. Wenn man schweres Wasser als Moderator nutzt, kann man auch Natururan nehmen, im Reaktor.
Gaby: Genau. Und historisch gesehen gibt es immer zwei Linien, entweder man arbeitet mit schwer angereichertem Uran, das haben die Amerikaner im Wesentlichen gemacht, oder Natururan mit Schwerwasser, Graphit – kannst Du auch als Moderator nehmen und dann kommst Du zu Plutonium. Und Plutonium hat ja nur einen Sinn: Das macht nur Sinn für nukleare militärische Zwecke, für zivile nicht. Das war die deutsche Spezialität. Das haben eben auch die Israelis angewandt und die Argentinier haben auch auf der Natururanschiene geforscht, weil sie dadurch unanbhänging von den Kontrollen der US-Amerikanern waren. Die haben zwar Uran geliefert, angereichert, aber die wollten wissen, was damit passiert.
Frank: Das war dann die Atoms for Peace-Geschichte …
Gaby: Das war ja ab 1953, da hat das dann Eisenhower in der UNO bekanntgegeben. Im Grunde war das ein ziemliches Ablenkungsmaneuver. 1953 kamen zwei Sachen heraus: Erstens die Folgen, was Nagasaki und Hiroshima, was die Amerikaner da wirklich angerichtet haben. Die unglaubliche Zerstörung. Die hatten da eine regelrechte Informationssperre über fast zehn Jahre lang, die Amerikaner, weil das alles so furchtbar war. Da hätten sie mit ihren ganzen nuklearen Plänen nicht mehr weitermachen können, wenn das rausgekommen wäre. Das zweite war, dass in den 1950er Jahren gab es ja dann die Atomwaffenversuche im Wesentlichen im Pazifik oder ganz oben in der Stratosphäre.
Frank: … ja, oder auch in den Wüsten, ne? Unterirdische Tests waren da ja auch viele
Fefe: Das Problem ist halt, dass Du die sehen kannst …
Gaby: Du hast diesen radioaktiven Fallout …
Fefe: … und Du hast einen Atompilz, den man von Satelliten aus sehen kann …
Gaby: Ja, genau. Und dann gab es … ja, Weltöffentlichkeit klingt jetzt sehr viel, aber es gab schon kritische Wissenschaftler und Ärzte, die gesagt haben: "Das kann so nicht weitergehen! Ganze Regionen verseuchen mit diesem Strontium. Wir müssen zu einem Atomstop-Abkommen kommen …
Frank: … ein Teststoppabkommen …
Gaby: … zwischen der Sowietunion, Großbritannien und den USA, das waren die drei Atommächte zu der Zeit." Ich rede jetzt von 1958.
Fefe: Und die Russen waren ja auch dafür, nicht?
Gaby: Die Russen waren damals – zwar gabs Chruschtschow und Chruschtschow war da ja unglaublich dahinter. Das geht aus den Akten – sowohl des auswärtigen Amtes als auch den Akten der USA eindeutig hervor. Es gab aber in den USA eine Lobby von Hardlinern, die saßen im Pentagon und sie saßen in der AEC – der Atomic Energy Commission, angeführt von John McCone, dem späteren CIA-Chef.
Frank: Und diese Situation muss mich sich mal ein bisschen plastischer vorstellen. Eine Zeit, in der oberirdische Atomtests stattfinden und in der der kalte Krieg wirklich angespannt ist. Die Sowjets und die Amerikaner doch jeden ihrer Schritte höchst argwöhnische beobachten und dem anderen keinerlei Vertrauensvorschuss geben und alles sofort darauf abklopfen, ob es sich für Propagandazwecke eignet und sie damit die andere Seite in schlechten Licht dastehen lassen können, war so der Alltag.
Frank: Wenn man Zeitungen von Damals liest, zum Beispiel alte Spiegel oder so – die gibt es zum Glück online; die kann man mal lesen – das kann man sich kaum noch vorstellen, wie sehr jegliche Handlung darauf ausgeleuchtet wurde, ob man jetzt den Anderen in den Augen der Weltöffentlichkeit schlecht darstehen lassen kann. Weil es zum Beispiel darum ging, wer kann seine Machtsphäre weiter ausbauen. Ich glaube das ist auch ein bisschen der Hintergrund zu dem, was danach passierte. Die spannende Frage ist jetzt: Wie ist die Verbindung zwischen Eichmann und diesen Atomtestgeschichten.
Fefe: Es gibt noch eine Sache: Die haben zu dieser Zeit mit den unterirdischen Atomtests angefangen, die damals noch nicht von der Gegenseite ortbar waren. Die hatten damals noch nicht so ein dichtes seismisches Netz. Du konntest es zwar vermuten, aber nicht beweisen. Und diese "Atoms for Peace"-Sache, da war die Anwendung so etwas wie "Wir bombem uns den Ölzugang frei" oder "Wir lenken einen Fluss um". Das wäre auch teilweise auch unterirdisch gewesen, oder nicht?
Gaby: Nenene, "Atoms for Peace" war 1953. Das war ein Ablenkungsmanöver. Sie wussten noch gar nicht, was sie mit dieser zivilen Anwendung überhaupt machen sollten. Also das man Atomkraft auch für die Energiegewinnung einsetzen kann. Das kam erst viel später. Ganz, ganz viel später. Man muss …
Frank: Zehn Jahre später.
Fefe: Die Russen haben das doch damals verbreitet.
Gaby: Nein, Du redest jetzt von der Operation "Plowshare". Und die kam 1957, also mitten in der zweiten Hälfte der 50er Jahre. Da ging es schon darum, eine Antwort zu finden auf den drohenden Atomstop – auf ein Abkommen, das drohte. Denn sie kriegen das nicht vom Tisch. Sie haben das irgendwann auch machen müssen. Im Oktober 1958 hat die USA mit der Sowjetunion ein Abkommen über das Verbot von Atomtest abgeschlossen. Und zwar sowohl für die Stratosphäre, als auch diese unterirdischen Tests. Aber es galt nur für das eigene Staatsgebiet. Das steht da eben drin und es gab auch keine Sanktionen. Uns es gab eben, Du hast das schon erwähnt, keine Kontrollen, praktisch. Weil was ist, wenn du unten in irgendeinem Stollen eine Atombombe zündest? Du hast dann zwar bestimmte seismische Bewegungen. Aber erstens: Wenn du die irgendwo in Alaska machst, wie sollen die Russen damals, von 1958 ist die Rede, festgestellt haben? Und zweitens: Du hättest, um sowas wirklich ausschließen zu können, ein Kontrollnetz gebraucht. Das gibt es heute und das gibt es schon länger, aber damals eben nicht. Damals gabs das doch noch gar nicht. Es gab mal irgendwo an der Universität eine Kontrolle. Die haben gedacht "Wir schließen das Abkommen und gehen trotzdem unseren Weg". Das ist jetzt der Knackpunkt, dass es diese Hardliner im Kabinett von Eisenhower gegeben hat, die gesagt haben: "Wir sind führend bei der Atomtechnologie. Wenn wir das Abkommen jetzt machen, wenn wir auf die Tests verzichten, verlieren wir unseren Vorsprung gegenüber Sowjetunion. Und wir haben grade eine sehr schöne neue Technologie. Wir wollen das auch für zivile Zwecke anwenden. Das will ja die Sowjetunion auch, die haben da auch eifrig mit rumgebastelt. Wir wollen das jetzt in der zivilen Ingenieurstechnik einsetzen." Haben sie also erfunden und sagen: "Wir können damit Kanäle bauen. Wir können damit Hafenbecken ausbomben." Und es gab dann sogar ein ganz konkretes Projekt.
Sie hatten nämlich eine private Firma, und zwar die Panama Canal Company. Die wollten einen zweiten Kanal bauen in Mittelamerika, denn es gab Schwierigkeiten in Panama. Die haben gefürchtet, dass die die Kanalzone verlieren. Und dann haben sie diverse Routen ausgetestet: Eine durch Mexiko; Eine durch Nicaragua; Eine durch Kolumbien. Haben alles ausgerechnet und sind dazu gekommen, dass sie gesagt haben: "Wenn wir das mit konventionellen Sprengstoffen machen, dann brauchen wir erstens zehn Jahre und zweitens brauchen wir zwei Milliarden Dollar. Da muss man ein Loch bohren, dann muss das Dynamit da unten hin, dann macht's "PUFF" und dann hat man das Loch. Und dann hat man den ganzen Schutt und muss den wegräumen. Wenn wir aber das Loch bohren und tun da eine Atombobe rein, dann macht's auch – aber ein richtig kräftiges – "PUFF", aber dann haben wir den Krater. Das ist der Unterschied. Und der Krater ist ja schon nackt, das heißt, dass wir da keinen Schutt wegräumen müssen. Sparen wir uns also eine Menge Geld." Diese ganzen Details, diese ganzen Unterlagen die habe ich, ...
Fefe: Das bisschen Fallout!
Gaby: ... die liegen in Kansas in der Library. Die waren nicht mal geheim. Die haben das also ausgerechnet: Das sind nur ein Zehntel der Kosten; Die Panama-Gesellschaft ist auch dafür und die Atombomben kommen sowieso vom Pentagon und das geht alles viel schneller ...
Gaby: ... und das wollen wir jetzt machen!
Frank: Und wo sollte der lang gehen, der Kanal?
Gaby: Sie hatten vier Routen, aber alle durch Mittelamerika – die wahrscheinlichste wäre wohl Nicaragua gewesen, und das haben die auch öffentlich diskutiert, das ist auch in der Zeitung gestanden, man hat auch diesen Kanal Pan-Atomic-Canal genannt. Diese Sachen sind damals schon de-classified, also offengelegt gewesen. Der Chef von der Company hat das richtig ausgerechnet – "wir machen das so wie 'ne Art Perlenkette, so Krater an Krater und zum Schluss, da haben wir dann schon den Kanal, das geht ganz flott und ist so billig und ist überhaupt gar kein Problem."
Frank: Und der Fallout verdünnt sich dann durchs Wasser oder so …
Gaby: Ja, wir haben auch keine Probleme mit dem Grundwasser. Man kann natürlich auch geologisch ein bisschen untersuchen – sie hatten ein großes Problem – sie mussten das ja irgendwo testen. Und dann kam im Oktober 1958 das Abkommen mit der Sowjetunion, dass sie auf Tests verzichten, auch unterirdische. So, und dann hatten sie ein Problem.
Frank: Ok, und wie ging's dann weiter?
Gaby: Ich wollte dann die Unterlagen sehen in den USA – ich fahre alle zwei Jahre in die USA und gehe da in die Archive; man kann in den USA die Archive nicht mit unseren deutschen Archiven vergleichen – es gibt schon eine ganz andere Tradition, was den Umgang – auch von geheimen Dokumenten – angeht, da ist die Bundesrepublik ein Obrigkeitsstaat. In den USA machts wirklich Spaß, im Bundesarchiv zu recherchieren – ich hab da immer recherchiert, kenne da die ganzen Archivare, die sind klasse, und das ist wirklich wunderbar. Ja, dann wollte ich – im August 2010 – bin ich mit gültigem Visum da hin – habe auch gesagt, ich gehe zu Nara (National Archives) und bin dann an der Grenze hinter der Passkontrolle rausgefischt worden und nach sieben Stunden Verhör ins nächste Flugzeug gesetzt worden, ohne Begründung – ich habe bis heute keine Begründung dafür bekommen. Mir haben dann andere Forscher geholfen – die sind dann für mich nach Kansas gefahren – die haben für jeden Präsidenten eine eigene Bibliothek, die aber auch dem Bundesarchiv untersteht, da gilt das Bundesgesetz in den USA; das macht es natürlich für private Forscher sehr schwierig. Kansas ist 3000 km von Washington entfernt. Da sind meine Freunde hingefahren, waren da zwei Tage unterwegs oder drei, um überhaupt da hin zu kommen, das ist alles teuer, natürlich. Das machen sie absichtlich, um uns das zu erschweren. Dann haben die mir alles zugemailt, per E-Mail. Aus diesen Akten entnehme ich erstens diese Versessenheit von John McCone und Eisenhower, also Pentagon, diesen Ditch-Digger – haben die das genannt – diesen atomaren Graben-Bagger von Edward Teller und Herbert York auszuprobieren. Edward Teller ist – erinnert ihr euch …
Fefe: Der Vater der Atombombe sagt man, nicht?
Frank: Der Wasserstoffbombe.
Gaby: Ja, was nicht so ganz stimmt. Es gibt diesen wahnsinnig schönen Film "Dr. Seltsam oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben", das ist so ein bisschen die Parodie auf ihn, völlig durchgeknallten antikommunistischen Physiker. Wenn man die Akten wirklich liest – genial war er nicht – er hat immer feet mit meters verwechselt und konnte auch nicht richtig rechnen, aber zumindest hat das alles damals in das allgemeine politische Umfeld reingepasst. Der Herbert York war auch schon bei dem Manhatten-Projekt – bei dem Atomwaffenprojekt der USA während des zweiten Weltkriegs – dabei, und er war in der Zeit der Ober-Atomwaffenentwickler des Pentagons. Die haben eben sehr darauf gedrängt, endlich diese Waffe zu testen. Es gibt dann zwei Kabinettssitzungen – eine am 5. Mai 1960, die andere am 12. Mai 1960 – da waren Herbert York und Teller auch geladen, kamen dann auch, haben vorgetragen … und dann fehlen ganz viele Blätter – da gibt's die berühmten Entnahme-Blätter, und auf einem steht dann nur noch, Präsident Eisenhower befiehlt jetzt, alles was hier beredet wird, zu vernichten, und dann kommt da nichts mehr.
Fefe: Immerhin gibt es die Entnahmeblätter – es gibt ja auch Fälle, wo dann nicht mal ein Entnahmeblatt liegt, aber es fehlt auch offensichtlich was.
Gaby: Ja, aufgrund der Entnahmeblätter hab ich jetzt auch die Freigabe beantragt – ein paar hab ich bekommen. Die CIA hat sie alle abgelehnt, weil sie sagen "sie ist nicht US-Staatsbürgerin".
Gaby: … stimmt ja. Naja gut, jetzt ein Freund von mir der ist US-Staatsbürger, der hat die jetzt auch beantragt, das heißt, das geht jetzt seinen juristischen Weg.
Frank: Ok, und worum ging es, bei dieser Kabinettsitzung?
Gaby: Es ging um das Testen dieses Grabenbaggers. Sie wollten diesen Plan – die wollten unterirdische Zündungen durchführen …
Frank: Ich mein, im Kern gings ja darum, dass sie die Wasserstoffbombe noch nicht so lange hatten zu der Zeit.
Gaby: Es ging noch gar nicht um die Wasserstoffbombe. Es ging um ganz normale, relativ kleine Atombomben.
Frank: Also um die taktische Atombombe.
Gaby: Ja, genau. Und zwar relative kleine. Also wie gesagt, es ging um so'ne atomare Perlenkette. Und dieser Grabenbagger, der hätte sich also so Atombombe hier, Atombombe da, so durch das Erdreich gebaggert, ja – wie so eine Fräsmaschine kann man sagen. Und das wollte Herr Teller natürlich und Herr York wollten das ausprobieren. Und ab dem Moment, ab dem zwölften Mai, ist nichts mehr in den Akten drin. Weder beim Pentagon, noch Atomkommission, noch Kabinett, noch National Security Council. Nichts mehr.
Ich bin dann – das Witzige war, als ich den Namen Herbert York gelesen habe, ich hab immer gedacht, Mensch scheiße, den kennst du. Irgendwie ist dir der Name schon mal über den Weg gelaufen. Und hab dann – na klar im Computer merkste … – Herbert York ist am 15. Mai 1960 in Buenos Aires gelandet. Mit vier U-2 Aufklärungs-Spionage-Flugzeugen der Air Force und drei riesigen Atomwaffenträgern, und einer Superfortress – auch mit Atomwaffen an Bord. Und ist damit nach Argentinien gekommen. Ich habe daraufhin versucht, herauszufinden, was, auf welchen Flughäfen die waren, was sie gemacht haben – die Argentinische Regierung, ich hab mit denen gesprochen, mehrere Male, mit dem Verteidigungsminister, sie haben irgendwann total abgeblockt. Und haben einfach nur noch wissen wollen was ich weiß. Und haben mir dann sämtlichen Zugang zu den Flughäfen blockiert, und zur Migrationsbehörde, weil ich natürlich wissen wollte, wer ist da eingereist noch. Und über die Marine hab ich dann diesen Ditchdigger, also diesen Grabenbagger verfolgt, nach Südpatagonien, aber wirklich ganz, ganz, tief nach Südpatagonien und bin dann in einen Hafen gekommen, nach Puerto Deseado – ich hab mir das angeguckt dann – und habe dort festgestellt, wo sie diese Detonationen gemacht haben damals.
Frank: Die haben die dann tatsächlich in Argentinien getestet?
Gaby: Ich habe mit einem Arbeiter gesprochen, einem Chilenen, den haben sie vorher schon, Monate vorher unter Vertrag genommen, der hat mit normalem Sprengstoff, weil zu den eigentlichen Sprengungen ist er dann nicht mehr dazugezogen worden, da kamen dann Experten aus dem Ausland, der hat da die Löcher gebohrt um da Sprengstoff zu detonieren.
Weißt du, das klingt jetzt ganz komisch, was ich sage. Aber dieses ganze Ding macht irgendwie Sinn, wenn man das aus der Perspektive der jeweils Betroffenen anguckt. Ich sage das jetzt mal aus der Perspektive der Argentinier. Die Argentinier wollten mit dabei sein. Da gibt es eine vielversprechende, neue Technologie, da wollten sie dabei sein. So haben sie die Amis eingeladen. "Macht das doch bei uns. Wir haben die Oberhoheit hier, ihr kommt zu uns, zur Marine, und dann gehen wir nach unten, nach Patagonien, da lebt fast niemand, so und dann machen wir das." Puerto Deseado ist ein Dorf, damals wohnten da viertausend Leute, das liegt am Rio Deseado auf deutsch: der ersehnte Fluss. Wie der Name schon sagt: der Fluss ist sehr ersehnt – der kam mal vor der letzten Eiszeit aus den Anden vom Lago – vom See Buenos Aires, ein Gletschersee in den Anden, und dann kam die Eiszeit, dann haben die Vulkane gespuckt, und dann ist der letzte Teil von diesem Fluss, der in die Bucht bei Puerto Deseado in den Atlantik mündet, verschüttet worden. Und der läuft seit dem unterirdisch. Also man weiß, wenn man in der Bucht ist: hier kommt Süßwasser rein, das kann man ja feststellen – aber wir wissen nicht, wo das kommt. Und die Stadt Puerto Deseado hat bis heute nicht genug Süßwasser, also die haben rationiert. Nun würdet ihr sagen, das ist doch klasse – da bauen wir eine Leitung. Entweder von den Anden, das wären 900 Kilometer, oder von der Stelle, wo der Fluss versiegt. Haben die Argentinischen Militärs aber gesagt: "Nee, das machen wir jetzt mit Ordnung, und wir wollen jetzt wieder die Ordnung herstellen, von dem Flusslauf, wie er vor der Eiszeit war. Und wir bauen jetzt den Kanal."
Die wollten also einen Kanal bauen von der Bucht, bis zu der Stelle wo er versiegt. Ja, wär nicht so weit gewesen. Und dazu hätten sie natürlich die Hilfe von den Amerikanern gebraucht. Und sie haben dabei – die Amerikaner haben gesagt – die kannten ja auch die Gegend nicht, es ist eine vulkanische Gegend, der Fluss ist verbunden mit den Anden, mit den Gletscherseen, mit den Vulkanen der Anden – du musst natürlich vor jeder Sprengung die geologische Struktur untersuchen. Haben sie natürlich nicht gemacht. Und haben da einfach ein bisschen rumgebombt.
Fefe: Die Theorie der tektonischen Platten gab es doch noch gar nicht so.
Gaby: Die gab es noch gar nicht. Die fing ja erst danach an. Und sie wussten, wenn sie ein bisschen da rumbomben, dann muss es natürlich seismische Bewegungen geben, aber in ganz Südpatagonien, also in ganz Argentinien, weiß ich nicht, ob es überhaupt eine Kontrollstation gab. Also da unten gab es jedenfalls keine, das weiß ich sicher. So, haben sie gesagt, "Selbst wenn es da ein bisschen wackelt oder rummst … Da wohnen ja nur ein paar Fischer oder so, das rummst dann so ein bischen, dass fällt ja gar nicht auf." So, wie gesagt, es ist eine vulkanische Gegend und wenn man auf die Anden geht, auf der einen Seite ist es Argentinien, auf der anderen Seite ist es Chile. In Chile an der Pazifikküste prallen zwei tektonische Platten, nämlich die Nazcaplatte auf die südamerikanische Platte aufeinander. Sie haben diesen Ditchdigger, ich habe den ja verfolgt, in einem Militärschiff nach Puerto Deseado, der kam da am 18. im Hafen an, am 19. ist er an den Ort der Detonation gebracht worden. Ich gehe mal davon, aus am 20. oder 21. war er einsatzbereit. Wie wir heute wissen, da kann man in das Guinness-Buch der Weltrekorde schauen, da muss man sich keine seismischen Statistiken reinziehen, am 21. Mai hat das Erdbeben von Valdivia angefangen in Chile und am 22. war es auf dem Höhepunkt mit einer Stärke von 9,5 Grad auf der Richter-Skala. Dass ist das größte ,was jemals auf der Welt gemessen worden ist überhaupt, wo ganze sich Berge verschoben haben, neue Seen entstanden. Also es, …
Frank: Es gab sogar Tsunamis.
Gaby: Der Tsunami ging bis zu den Philippinen, bis nach Hawaii und die ganze kalifornische Küste ist auch zerstört worden. Es gab zwei Millionen Obdachlose und nur deshalb knapp zweitausend Tote, weil Chile nur ganz dünn besiedelt ist. Es war eine wahnsinnige Katastrophe. Und natürlich haben die sich damals in der Stituation gedacht "das waren wir". Was wir heute wissen über die Entstehung von solchen Erdbeben, ich habe mit Geologen und Physikern gesprochen, ist ganz was anderes: Solche Erdbeben entstehen über Jahrzehnte. Die hitzen sich sozusagen, …
Frank: Die Spannung baut sich auf.
Gaby: (Die Spannung) durch diese Subduktion, wenn sich eine Platte unter die andere schiebt, wird unglaublich viel Energie gespeichert, gespeichert und nochmal gespeichert und irgendwann einmal geht das dann mit einem riesigen Rumms raus. Du kannst aber so ein Erdbeben auslösen – nicht verursachen.
Frank: Wenn die Energie bereits gespeichert also bereits da ist.
Gaby: Den letzten Funken dann noch geben.
Frank: Und die dachten, sie waren es.
Gaby: Sie haben sogar gedacht, sie hätten das verursacht und, dass sie dann in der Zukunft in der Lage sein werden, tektonische Waffen auch zu entwickeln. Also Herr Teller war ein Verrückter; das muss man sich mal vorstellen, wenn man sich die Sachen von ihm durchliest heute, dann denkt man nur, der hat einen Dachschaden gehabt. Aber damals haben die mit Sicherheit dann wie wild angefangen zu forschen. Dass hat fast zwanzig Jahre gedauert bis die UNO eine internationale Konvention zusammen stellte, um solche wetterbeeinflussende Waffen und Maßnahmen zu bannen. Aber so lange, so bis Ende der 70er Jahre, hat es diese Forschung, vermutlich in der ganzen Welt, ich glaube nicht, dass die Russen da was anderes gemacht haben, die hat es gegeben.
Frank: Ok, das heißt also die Situation is', Teller ist da unten ...
Gaby: Nee, ob Teller da ist weiß ich nicht. Herbert York war da.
Frank: Ok, York war da mit Atomwaffen …
Fefe: Und sie dachten, sie haben gerade den halben Kontinent gesprengt und brauchen jetzt eine Ablenkung.
Frank: Und was passierte dann?
Gaby: Ja, das war am 22., wo das große Erdbeben war. Ja, [lacht] das ist jetzt die Frage, was dann passierte, die Sachen sind ja noch geheim. Aber es ist doch sehr auffällig, dass am 23. Mai in Israel, um 4 Uhr Ortszeit, das ist morgens um neun in Washington D. C., dass Ben-Gurion, völlig überraschend, und zwar zur Überraschung seiner allerengsten Mitarbeiter, vor die Knesset tritt und sagt: "Wir haben Eichmann und stellen ihn hier vor Gericht, wegen Verbrechen gegen das jüdische Volk." Er hat noch nicht mal seinen engen Kumpel Konrad Adenauer, mit dem er seit März 1960 über die Zahlung von zwei Milliarden DM für das israelische Atomprogramm verhandelt hat – und man war sich ja schon geschäftseinig geworden – er hat es noch nicht mal geschafft, zum Hörer zu greifen und ihm zu sagen: "Konrad alter Knacker, frag mich nicht wieso, …
Fefe: wir haben da ein Problem [lacht]
Gaby: ... wir haben da ein Problem. Irgendwann erklär' ich es Dir. Ich muß das ... wir müssen jetzt umdisponieren. Mach Dir keine Sorgen, wir werden eure Interessen irgendwie versuchen zu verteidigen. Ich muß das jetzt machen." Er hätte doch zwei Stunden warten können und den Beauftragten der Israel-Mission aus Köln nach Röhndorf schicken können, um Konrad zu beruhigen. Hat er nicht getan. Adenauer ist total davon überrascht worden. Er hat keine Ahnung von nichts gehabt und er ist explodiert. Ich mein, dass er auf den BND geschimpft hat, ist noch eine andere Sache. Der BND wusste natürlich von garnichts.
Frank: Ok, aber was war Adenauers Motivation, sich darüber zu echauffieren, dass die Israelis Eichmann haben.
Gaby: Ähm ...
Fefe: Na wir müssen den rechtlichen Hintergrund erstmal erklären
Frank: Na, lass sie mal erzählen.
Gaby: Adenauer – wir müssen uns ja vorstellen – es ist ja 1960. Adenauer wollte ja wieder Weltpolitik, irgendwie mitmischen. Der musste irgendwie das ganze Problem mit der Judenvernichtung vom Tisch kriegen. Es ist schon Anfang der 1950er Jahre diese sogenannte Wiedergutmachung gezahlt worden. Das hat Herr Abs damals eingetütet, ganz offiziell als Vertreter, und das war aber explizit nicht an militärische Dinge geknüpft. Dann hat sich im März 1960 Ben-Gurion mit Adenauer in New York am Rande einer UNO-Vollversammlung im Hotel Astoria getroffen. Dann haben die beiden alten Männer geredet. Wir wissen inzwischen – das Auswärtige Amt hat mir gegenüber die Akten freigegeben – was da alles verabredet worden ist, nämlich die Operation "Geschäftsfreund". Da ist vorbei am Deutschen Parlament, sogar vorbei am deutschen Finanzminister – zumindest in der Anfangszeit –, haben die da, also einen richtigen Art Mafia-Pakt geschlossen, ganz geheim, und zwei Milliarden D-Mark – das war unglaublich viel Geld damals – für ein Entwicklungsprojekt in der Israelischen Negev-Wüste gezahlt.
Frank: … also Dimona … …
Gaby: … … Dimona ja. In einem Dokument heißt es auch, man habe über die Produktion atomarer Waffen gesprochen, und, und, und.
Frank: Also kurz zur Erklärung. Dimona ist die israelische Atomforschungseinrichtung, in der auch die israelischen Atomwaffen produziert werden, und in der die entsprechenden Anreicherungssysteme stehen.
Gaby: Genau. Die waren sich also alle im Prinzip einig. Die Bundesrepublik hat schon im März mit einem Drei-Millionen-Kredit aus dem Etat des Atomministeriums spendiert, damit also auch Hahn und die Leute nach Israel fahren konnten, damit es den Transfer von Technologie gab. Man war sich in Allem einig, man hatte Alles schon unter Dach und Fach. Man war sich über gewisse Auszahlungsmodalitäten noch nicht klar, …
Fefe: … der Atomminister war übrigens Franz-Josef Strauss. Das fand ich ja auch sehr lustig.
Gaby: Der erste Atomminister war Franz-Josef Strauss, er war zu dem Zeitpunkt – er hatte irgendwie so'ne Lusche dann dagelassen – er war Verteidigungsminister schon zu diesem Zeitpunkt. Aber er hat immernoch die Sachen gemanaged im Atomministerium
Fefe: Was man vielleicht ein bisschen verstehen muß zur Beurteilung der Lage, ist dass, völkerrechtlich gab es schon eine Lösung dafür, dass nicht irgendwelche Länder jetzt anfangen Alt-Nazis zu verfolgen und Deutschland schlecht aussehen zu lassen. Denn völkerrechtlich war Deutschland – und nur Deutschland – verantwortlich für das Verfolgen von Alt-Nazis. Und das heisst, die größte Bedrohung war für jemanden wie Adenauer, dessen halbes Kabinett aus Alt-Nazis bestand, dass jetzt jemand wie Israel – das ist jetzt natürlich der absolute GAU, aber jedes Land wäre peinlich gewesen – jetzt anfängt Alt-Nazis auszugraben und denen den Prozess zu machen, weil Deutschland den Hintern nicht hochkriegt. Israel hat natürlich an der Stelle, … da hätte man auch nicht irgendwie sagen können:
Fefe und Frank im Chor: "Das geht jetzt nicht" [lachen]
Fefe: Insofern, das war quasi das, was unbedingt verhindert werden musste, dass Israel jetzt anfängt irgendwelche Alt-Nazis zu verfolgen. Insofern, so erklärt sich das, dass Adenauer bereit war, diese unglaubliche Geldmenge in die Hand zu nehmen, weil da stand mehr auf dem Spiel als bloß "Wir wollen jetzt mitmachen", sondern es ging auch um die Selbsterhaltung von ihm, oder nicht?
Gaby: Ja, aber Israel haben sie doch nicht gefürchtet. Ich meine, da war ja Ben-Gurion an der Regierung und Ben-Gurion und der Zionismus hat in den 30er Jahren eng mit, gerade auch mit Eichmann und mit den Nazis zusammengearbeitet. Das ist ja noch ein ganz anderes Kapitel, über das man ja überhaupt gar nicht reden will. Ben-Gurion hat niemals auch nur dran gedacht, irgendwie Nazis in der Welt zu jagen. Wo die Gefahr ausging, das waren so Länder, also in erster Linie Griechenland, und die haben das ja auch gemacht. Die haben ja auch '57 den [Max -d. R.] Merten, das war ein Mitglied der deutschen Militärverwaltung während der Besetzung, den haben sie dann einfach eingekascht und haben den vor Gericht gestellt und verurteilt. Das hat Deutschland viel Geld gekostet, um den wieder rauszukriegen. Weil natürlich ging es immer auch um Reparationszahlungen, das war im Grunde der Hintergrund davon. Sie wollten das irgendwann mal unter Dach und Fach kriegen und nicht mit neuen Ansprüchen konfrontiert werden.
Fefe: Aber und auch dass die Leute nicht anfangen auszupacken, wenn sie dann in Griechenland angeklagt sind, wenn der dann sagt: "Ja, aber ich bin doch nur eine kleine Leuchte, meine Vorgesetzen waren Herr Soundso, Soundso und Soundso"
Gaby: "… oder meine Spitzel". Das hat ja dann auch der Merten gesagt. Der hat dann auch gesagt, Leute, die dann in der aktuellen Politik waren, der hat doch immer mit den deutschen Behörden auch während der Besetzung zusammengearbeitet. Also solche Peinlichkeiten wollte man alle verhindern und ich meine, Israel hat niemals irgendwelche Nazis in der Welt gesucht.
Fefe: Das ist ja genau das Gegenteil dessen, wie man das heute lernt oder kennt, ja?
Gaby: Deutsche Geschichte, ja …
Fefe: Heute feiern die sich ja als die Leute, die Gerechtigkeit bringen und die hier die ganzen belasteten Leute … also zwei, drei gab's ja auch, das war ja nicht nur Eichmann. Sondern es gab, den einen hast Du schon erwähnt, aber es gab glaub ich einige Mossadaktionen, die sich selbst gefeiert haben als … Auch die Sache in der Schweiz, weswegen da jetzt die diplomatischen Beziehungen so ein bisschen belastet sind, das war ja auch so 'ne Gerechtigkeitssache. Also diese ganze Idee, dass der Mossad der Gerechtigkeit dient …
Gaby: Na wegen Palästinensern, jajaja.
Fefe: … kommt ja von Eichmann selbst, ja.
Gaby: Aber das haben sie dann benutzt, es gibt ja diesen Film von dem Spielberg, "Munich", wo er Golda Meir sagen lässt: "So wie wir Gerechtigkeit im Falle Eichmanns geschaffen haben, so machen wir auch Gerechtigkeit bei den Palästinensern". Und dann haben sie ja dieses Kommando da, Schwarzer September, die ja einzeln abknallen lassen. Und haben sich dabei moralisch auf die Eichmann-Operation berufen.
Fefe: Ja.
Gaby: Aber ich meine, das war 'ne Legitimation. Gemacht haben sie nie was. Deswegen ist es ja auch so ein empfindliches Thema in Israel. Wenn jetzt rauskommen würde, es kommt ja, ich meine, die interessierten Leute wissen es heute ja auch schon. Wenn jetzt rauskommt, es war so nicht, das waren ganz andere Zusammenhänge und auch militärische Zusammenhänge da, dann wird schon ziemlich peinlich.
Fefe: Also die schönste Szene war in dem Buch, wenn ich das kurz zitieren darf, gibt's so'n BND-Memo, was Du zitierst, wo der Botschafter aus Israel oder so … irgendjemand aus Israel berichtet jedenfalls, dass die Begründung quasi war von Ben-Gurion: "Na endlich haben wir was. Der Mossad hat ja nur Scheiße gemacht bisher. Endlich haben wir mal was, worauf wir zeigen können", dass sie auch ein erfolgreicher Geheimdienst sind.
Gaby: CIA war das.
Fefe: Oder die CIA war das?
Gaby: Jaja, das war das CIA-Ding. Die wollten ohnehin, die hatten so Probleme beim Haushalt, den wollten sie irgendwie kürzen, und dann haben sie jetzt endlich mal was vorzuzeigen, das ist jetzt populär.
Fefe: Und darauf begründet sich ja das gesamte Selbstbild vom Mossad, in der Presse auch.
Frank: Ok. Und wie kommt jetzt Eichmann ins Spiel?
Gaby: Eichmann hat mit dieser ganzen Geschichte, wir haben eben über diese unterirdischen Atomversuche geredet, überhaupt nichts zu tun. Das ist am selben Ort, zur selben Zeit hat das stattgefunden und das haben sie als Ablenkungsmanöver benutzt, die Amerikaner. Und …
Frank: Also Deine These ist, dass die Amerikaner schon lange wussten, wo Eichmann ist und ihn quasi aus dem Eisschrank geholt haben, als es opportun war, weil sie 'ne Ablenkungsgeschichte brauchten.
Gaby: Das wussten nicht nur die Amerikaner, das wussten alle. Also ich meine, in den BND-Akten steht auch drin, dass der Sassen, der hat den Eichmann ja ab 1956 Jahre dann jahrelang, mehrere Jange lang interviewt, der hat für die US-Botschaft gearbeitet. Ich habe einen Antrag da laufen, schon seit Ewigkeiten. Die beantworten, sagen einfach nichts dazu.
Fefe: Du hast ja auch beim BND 'ne Karteikarte gefunden aus dem Jahre 1952, wo schon drauf steht: "Der Eichmann ist in Argentinien". Das hat mich ja auch vom Hocker gehauen.
Gaby: Das war eigentlich noch die am wenigsten aussagekräftige Geschichte. Also in den 1940er Jahren ist Eichmann ja öfters auch nach Alt-Ausee, also in die Berge nach Österreich, gefahren und es war ja gar nicht klar, direkt nach dem Zweiten Weltkrieg, dass der Krieg zu Ende ist. Es gab ja auch die Tendenz, dass man eventuell nur ein bisschen ausharrt, und dann unter US-Oberkommando weiter in den Osten geht. Und da gibt's auch freigegebene Akten vom BND. Also die wussten zu allen Zeiten, wo Eichmann war. Und der BND hatte ganz viele Spitzel auch um Eichmann herum, der wusste zu jeder Zeit, wo er war. Und ich meine, ein Dokument vom BND ist, dass Eichmann auch für den Mossad oder für die Israelis gearbeitet hat. Und in Argentinien, also die innenpolitische Situation, es gibt unglaublich viele argentinische Flüchtlinge, die in Argentinien leben. Und diese deutschen Kreise, das waren ja deutsche Juden, die haben deutsch gesprochen und dann kam nach neunzehnhundert… ja eigentlich nach Gründung der Bundesrepublik, kamen die ganzen Nazis nach Argentinien. Die haben auch deutsch gesprochen.
Frank: In dieselbe deutsche Community?
Gaby: In dieselbe! Die gingen zum selben deutschen Bäcker und die haben dieselbe deutsche Leberwurst eingekauft und sind auch in dieselben Konzerte gegangen und man hat sich dann irgendwie auch gesehen da. Und die haben auch im selben Stadtviertel gewohnt oder vielleicht drei Häuserblocks weiter weg. Und die Kinder sind in dieselben Schulen gegangen.
Fefe: Ich fand ja den Hammer, dass Mengele und Eichmann da unter ihrem richtigen Namen aufgetreten sind.
Gaby: Die Kinder von Eichmann sind als Eichmann in die deutsche Schule gegangen und Mengele hat 1956 einen Pass in der Deutschen Botschaft auf seinen Namen bekommen.
Fefe: Unglaublich.
Gaby: Und der hat als Glaubhaftmachung, dass er Mengele ist, nur ein Scheidungsurteil vorlegen können, das hat gereicht.
Frank: Ok, dass heisst, die hatten Eichmann quasi auf Vorrat, der war da halt …
Gaby: Ja, er hat ja auch bei Mercedes-Benz gearbeitet und da waren ja auch die ganzen alten SS-ler.
Frank: Ok und dann, was passierte dann? Also was ist deine These, wie lief denn dieses Ablenkungsmanöver?
Gaby: Naja, der Eichmann musste schon irgendwo gewesen sein im nahen Osten, in Israel.
Fefe: Der sprach ja sogar Hebräisch, hab' ich in deinem Buch gelernt. Ich bin fast vom Stuhl gefallen, …
Gaby: Das ist bekannt.
Fefe: … weil er mit den Zionisten zusammen, ja ich bin ja nicht so der Eichmann Forscher, weil er halt mit den zionistischen Organisationen zusammengearbeitet hat in den 30er Jahren.
Frank: Den Teil müssen wir glaube ich nochmal ein bisschen erklären, weil dass glaube ich für viele Höhrer ein bisschen zu krass, als das man es nicht erläutern kann. Ich springe jetzt mal kurz zurück in der Zeit: Die Nazis sind an die Macht gekommen und wollen halt ein judenfreies Deutschland haben. Und was wir im Geschichtsunterricht gelernt haben, sind ja immer nur die groben Outlines von dem, was passiert aber was Du ja auch sehr eindringlich und detailliert beschreibst, sind die Mechanismen der Enteignung und die Mechanismen des in-die-Flucht-treibens. Und das Bild, wass sich mir so darstellt, ist ja, als hätten die Nazis erstmal quasi alle jüdischen Familien, die irgendwie Geld hatten, ausgenommen, indem sie ihnen eine Fluchmöglichkeit offeriert haben gegen Geld. Und haben dann alle, die sich dass nicht leisten können, ermordet. Also um dass mal ganz kurz zusammenzufassen, ist das korrent?
Gaby: Es ist nicht so richtig korrekt, ab 1933 gab es drei Phasen der Judenverfolgung, und die erste Phase, da würde ich zu sagen, das war eine Diskrimininierung, also man hat sie aus bestimmten Berufen rausgeschmissen, man hat sie diskriminiert, man hat sie fertig gemacht, man hat Kampagnen gemacht: "Kauft nicht beim Juden", so diese Geschichten es gab ja auch schon bald die Nürnberger Rassengesetzte, eben kommentiert dann von Herrn Globke.
Und es gab dann 1933 sehr bald aufgrund dieser Diskriminierung eine weltweite Kampange: "Wir müssen gegen das Hitler-Regieme Boykott machen, also wir kaufen jetzt keine deutschen Waren mehr". Und dann hat man sich in Deutschland gedacht: "Aha, wie machen wir das? Wir machen jetzt ein Abkommen mit den Zionistischen Organisationen". Und sie haben dann im August 1933 zusammen mit den zionistischen Organisationen ein Abkommen gemacht, das so genannte Haavara-Abkommen, das deutsche Juden, die nach Palästina – also in das zukünftige Israel – immigrieren wollen, die können hier ihren Besitz verkaufen und geben das auf ein Konto bei der Deutschen Bank – ganz merkwürdig, weil es herrschte noch Devisenkontrolle – aber sie haben die Deutsche Bank sich ausgesucht, aus gutem Grund und das wird dann nach Palästina überwiesen und dann können die Juden, die ausgewanderten Juden, aus Deutschland Waren importieren und dort verkaufen und sozusagen ihren Besitz wieder zu Geld machen. Das heißt sie haben auf diese Art und Weise praktisch den Boykott unterlaufen.
Und es gab dann auf den Tagungen des jüdischen Weltkongresses irre Ausseinandersetzungen – von Anfang an, also von 1933 an – weil die Zionisten waren eine ganz hauchdünne kleine Gruppe. Die hatten keineswegs die Mehrheit und an die Gründung eines Staates Israel … Also die Mehrheit der deutschen Juden die wollten ihre Rechte verteidigen und nicht irgendwo da in der Wüste zwischen den Sandflöhen da einen Staat gründen die haben überhaupt nicht dran gedacht! Deshalb musste man dia ja auch sozusagen dahin prügeln. Und die waren am Anfang gar nicht begeistert. Ja und dann hat man dieses Abkommen dann durchgesetzt, die Zionisten zusammen mit den Nazis und da war eben der Ansprechpartner innhalb des SD – Sicherheitsdienstes der SS – eben auch Adolf Eichmann und er hat damals auch Hebräisch gelernt, sprach wohl auch Jiddisch, um sich mit diesen Leuten auch verständigen zu können. Das hörte dann auf, vor allem als dann der zweite Weltkrieg, also ab September 1939 ausbrach, das klappte dann mit der Auswanderung nicht mehr und die Britische Mandatsmacht wollte die dort sowieso nicht da alle im nahen Osten haben.
Und dann gab es die zweite Phase, dann ist Eichmann nach Wien gegangen, wurde Leiter der Zentralstelle für Jüdische Auswanderung. Und da war das schon nicht nur Diskriminierung, sondern man hat die Leute systematisch auch fertig gemacht, aus ihren Wohnungen geschmissen, physisch angegriffen also das war schon ziemlich Terror, wie man dann gegen die jüdische Bevölkerung losgegangen ist. Da sind auch noch mal sehr viele immigriert, zum Teil konnten sie noch Sachen mitnehmen, zum Teil auch nicht mehr. Die dritte Phase ist dann so ab Ende 1941 und dann eben spätestens mit der Wannsee-Konferenz ab Januar 1942, wo dann eben die physische Vernichtung der europäischen Juden beschlossen war. Dass man ihnen systematisch an das Geld ging, das kam auch erst Ende der Dreißigerjahre mit der sogenannten Judenvermögensabgabe, wo sie praktisch ihre gesamten Besitztümer den Finanzämtern gegenüber darlegen mussten. Es wurde alles konfisziert, also die Aktien, die Bargeldvermögen, … diese ganzen Geschichten wurden alle eingezogen.
Fefe: Du beschreibst so eine ganz witzige Szene in dem Buch über die Juden, die dann in Palästina ankommen mit einem deutschen Pass. Dann kommen die Behörden vor Ort, die von den Briten geschickten Grenzer und sagen "Der Pass hier, na da schauen wir mal ob der korrekt ist" und rufen in Deutschland an und Deutschland hat gesagt "Ne, den kennen wir nicht, den Pass. Der ist kein Deutscher, den könnt ihr nicht zurückschicken." Also, die Prioritäten an der Stelle fand ich sehr witzig, so, überhaupt die deutsche Priorität war, die kommen nicht zurück und eigentlich wollte die aber auch kein anderer haben, ja also nicht nur die Briten. Aber dieses Gespiele mit dem Pass fand ich sehr beeindruckend, dass die so tricksen mussten, um überhaupt jemanden zu finden, der die Juden aufnehmen wollte.
Gaby: Wir wollten die ja auch nicht aufnehmen. Die Juden hatten eigentlich gar keinen Platz wo sie hingehen sollten, weil sich die ganze Welt ihnen auch verschlossen hatte, aber die Juden die dann aber ausgewandert sind nach Palästina, denen ging es auch, bis auf ein paar Geldleute, die auch davon profitiert haben von diesen riesigen Transfersummen, die dann ins Land geflossen sind, aber von dieser Ausnahme, ging es den Juden saudreckig da unten. Die hatten vielleicht irgendwie auf Papier einen Gutschein, dass sie jetzt im Werte von x palästinensischen Pfund aus Deutschland was importieren können, aber bis sie dass dann zu Geld gemacht haben, also die haben da richtig gehungert und denen ging es überhaupt nicht gut. Die sind auch von ihren eigenen Leuten, das geht aus den Akten des Bundesarchives und des Auswärtigen Amtes ganz klar hervor, die sind auch von ihren eigenen Leuten zu ganz schlechten oder überhaupt nicht bezahlten Arbeiten gezwungen worden, die wussten nicht, was sie da machen sollten. Viele sind dann aus Palästina dann nach Amerika, sie sind in die USA als eben auch nach Südamerika weitergewandert. Sie konnten da nicht leben.
Fefe: Deutschland hat ja auch dann dieses Geld, was sie quasi in Treuhand hatten, auch nicht unbedingt ausgezahlt, sondern es natürlich benutzt um ihren Krieg zu finanzieren, später.
Gaby: Aus der Judenvermögensabgabe, das ist da reingeflossen.
Frank: Diese Zusammenarbeit von Eichmann und den zionistischen Organisationen, die finde ich jetzt in sofern interessant als, dass der, … Was war denn die Motivation dahinter, was war die Motivation der zionistischen Organisationen, den Nazis an dieser Stelle zusammen zu arbeiten? Die nun doch eigentlich ganz klar auf der anderen Seite standen.
Gaby: Die Zionisten wollten den Staat Israel aufbauen, das war ein klares Projekt – nur von den Zionisten – die, wie gesagt, eine Minderheit waren innerhalb der jüdischen Weltbewegung. Die Nazis wollten Europa, vor allem Deutschland, judenfrei machen. Insofern haben sie da ein gemeinsames Interesse gefunden.
Fefe: Also du schreibst in dem Buch auch, um mal zu sagen, wie stark diese Kooperation war, dass als in Deutschland und Österreich schon verboten war, den anderen Juden, Zeitungen und so zu publizieren, da durften die Zionisten einfach weitermachen. Das war schon, also nicht nur das waren unsere Freunde, die waren dann auch von manchen Repressalien nicht betroffen.
Gaby: Ja natürlich. Ja, verboten wurden nur, die nicht Zionisten waren. Eichmann ist ja 1937 nach Palästina, wollte er nach Palästina fahren, um sich mit Leuten der Haganah zu treffen – also dem Vorläufer des israelischen Geheimdienstes – und die haben ihm dann versprochen, "wir arbeiten auch nachrichtendienstlich zusammen, wir werden auch, wenn es um die Verteilung von Erölkonzessionen geht, an euch denken", die haben sich dann in Ägypten getroffen, weil er konnte da nicht weiter einreisen. Die haben eng zusammengearbeitet.
Fefe: Haben die dann nicht unglaublich Gegenwind gekriegt von allen anderen Juden? Ich meine, das ist doch, … Kollaboration ist ja noch ein zu schönes Wort dafür, was die da gemacht haben.
Gaby: Ich glaube das Thema ist innerhalb der Juden ein ganz heikles Ding. Ich meine, Kollaboration ist im Grunde ja auch, Du machst es ja nicht freiwillig, es ist ja auch eine erzwungene Geschichte.
Fefe: Ja, also wenn man das vergleicht, mit sagen wir Frankreich, wie schlecht da über die Kollaborateure geurteilt wird, und dass alle im Nachhinein in der Resistance waren, …
Frank: Naja gut, ich meine, …
Fefe: … das ist ja 'ne ganz andere Art, damit umzugehen …
Frank: Ich meine, die historische Perspektive ist natürlich, dass die zionistische Geschichtsschreibung ja sagt: "Ok, das war halt aus der Not geboren und immerhin haben wir irgendwie viele hunderttausend Leute rausbekommen, die halt nicht in die Lager gewandert sind." Und das ist ja ihre historische Rechtfertigung dafür, dass sie halt diesen Deal gemacht haben.
Gaby: Nee, sie haben noch 'ne andere Rechtfertigung. Sie sagen auch noch dazu: "Ohne den Holocaust hätten wir den Staat Israel, … ohne diesen moralischen Druck wäre der Staat Israel nicht gegründet worden". Es gibt ein ganz gutes Beispiel, wo das noch mal klar würde. Eichmann ist ja dann 1944 nach Ungarn gegangen, geschickt worden, um dort die jüdische Bevölkerung zusammenzufassen, zu erfassen und abzutransportieren in die Vernichtungslager. Und er hat dann, mitten in dieser Geschichte hat er den Leiter der jüdischen Gemeinde, das waren im Wesentlichen zwei Leute, das war der Rudolf Kasztner, mit dem er engstens zusammengearbeitet hat, und Kasztner hat seine eigene Familie gerettet und hat dann – die restlichen Juden hat er ordentlich in die Züge transportiert – und hat gesagt: "Meldet Euch so schnell wie möglich, Ihr kriegt Länder in Osteuropa und wer zuerst kommt, mahlt zuerst." Und die Züge sind alle ausnahmslos nach Auschwitz gegangen.
Eichmann hat dann 1944 den Joel Brand, eben auch ein hoher Funktionär der jüdischen Gemeinde, zu sich gebeten, hat gesagt: "Pass auf, ich mach Euch 'n Deal." Es ging dabei um einen Separatfrieden im Grunde. "Ich mach Euch 'n Deal: Ihr gebt mir zehntausend Lastwagen und dafür stelle ich eine Million Juden an die Grenze, wo Ihr sie haben wollt. Also ich halt' dann sozusagen die Vernichtungsmaschinerie erst mal an." Und dann ist der Joel Brand – das ist alles dokumentiert in Büchern – der ist dann erst mal nach Istanbul gefahren zu Ben-Gurion, der saß da mit seiner Jewish Agency, war ja Türkei, war ja ein halbwegs neutrales Land, und hat gesagt: "Was machen wir? Wir müssen doch irgendwie auf dieses Angebot eingehen, um eine Million zu retten!" Und der hat gesagt: "Nee, es gibt überhaupt keine Möglichkeit", und hat ihn dann weiterziehen lassen in den Nahen Osten und dann haben ihn die Briten festgesetzt und dann ist er nicht zurück und dann hat Eichmann sein Werk sozusagen vollendet und hat fast 500000 in die Vernichtungslager geschickt.
Das ist natürlich, wenn man sich das heute überlegt, vielleicht ist es sinnvoll, auf dieses Angebot nicht eingegangen zu sein, weil es den Krieg mit Sicherheit verlängert hätte. Aber natürlich, wenn man so ein Angebot hat, verhandelt man doch mit den Leuten und tut so, als – Haben die überhaupt nicht gemacht! Und auch Ben-Gurion hat sich nicht irgendwie jetzt vor die Weltöffentlichkeit gestellt und das angeprangert und gesagt: "Man müsste …", also, man hat einfach dann auf das Kriegsende gewartet und gesagt: "Hier muss …", ja, man hat es nicht, es war nicht Priorität.
Fefe: Also das heißt auf deutsch: Ben-Gurion hat auch nur zu verlieren gehabt, wenn Eichmann aussagt?
Gaby: Aber wie! Und dann ist ja noch Eichmanns Vorgesetzter in der SS-Struktur, der Herr Becher, der dann ein sehr angesehener Geschäftsmann wurde in der Bundesrepublik und Mitglied des Bremer Schaffermahls und so, Kurt Becher, den haben die Alliierten festgesetzt, der war mit ihm zusammen im besetzten Budapest gewesen. In Nürnberg sollte ihm der Prozess gemacht werden, und da ist Rudolf Kasztner, also der Leiter der jüdischen Gemeinde in Ungarn, ist aus damals noch nicht Israel, aber schon Palästina, ist angereist nach Nürnberg und hat eine Aussage für Herrn Becher gemacht, dass Herr Becher so ein toller Typ gewesen wäre, dem es immer nur um das Retten jüdischen Lebens gegangen wäre. Und dann ist der Becher freigelassen worden und hat 'ne wunderbare Geschäftskarriere in der Bundesrepublik gemacht. Auch Geschäfte mit Israel. Kasztner ist dann in Israel, hat dann jemand das rausgefunden und hat ihn dann öffentlich angegriffen, und dann gab's 'n Gerichtsverfahren und dann haben die Richter, als sie das dann erfahren haben, dass er 'ne Aussage zugunsten von Becher gemacht hat, sozusagen für den Ankläger, gesagt: "Nee, also das ist ja das Allerletzte." Und dann ist aber, Kasztner wollte dann aussagen, wie denn die Zusammenhänge waren, und dann ist er auf offener Straße von einem Mitglied des Geheimdienstes erschossen worden. Der hat dann auch gesessen, er hat seine Strafe auch, 'ne relativ geringe Strafe, abgesessen und hat jetzt hinterher gesagt, es hätten noch andere Leute geschossen, er sei nicht der einzige Schütze gewesen. Also das ist auch ganz dubiose Geschichte. Da ist also offensichtlich ist da auch jemandem das Maul gestopft worden. Auf jeden Fall musste Ben-Gurion alles daran setzen, um Eichmann daran zu hindern, auszupacken. Und zwar ...
Fefe: Wie haben sie das denn eigentlich gemacht?
Frank: Moment, lass uns noch mal kurz zu dem Punkt, wir sind gerade … Also die offizielle Geschichte ist ja sowas, dass sie irgendwie sowas … was war es? Am 12. Mai, 11. Mai oder sowas eingesackt haben und dann noch mal …
Gaby: Am 11. Mai 1960.
Frank: Genau.
Fefe: Und dann saß er da zehn Tage irgendwie unklar …
Gaby: Wo wir nicht wissen, wo.
Frank: Genau. Und Du hattest doch noch diese Geschichte gefunden, dass schon am 12. Mai seine Sozialversicherung abgemeldet wurde.
Gaby: Ja, bei Mercedes …
Fefe: Nee, bei Daimler, ne? Ja, genau.
Gaby: Jajaja … [allgemeines Lachen]
Frank: Erzähl die doch vielleicht noch mal, weil die finde ich zu bizarr.
Gaby: Jaja, der Chef, das war ein gewisser [William – d. R.] Mosetti, und der spielt darin 'ne ganz große Rolle, in dieser ganzen Geschichte. Ein Amerikaner, gebürtiger Italiener, oder ein Amerikaner und der hat … Mercedes hat ihn am 12. Mai schon aus der Sozialversicherung abgemeldet.
Frank: Also einen Tag, nachdem er verschwunden ist, quasi?
Gaby: Ja, sie hätten ihm so 'n Brief schreiben müssen, "Sie müssen sich hier melden, sonst verlieren Sie …", aber haben sie alles nicht gemacht.
Frank: Gut, der war ja sozusagen erst einen Tag weg zu dem Zeitpunkt.
Gaby: Ja, aber wenn Du Arbeiter bist, normalerweise und Du gehst nicht in den Betrieb, dann schickt der automatisch, schickt Dir die Personalabteilung einen Brief und sagt: "Du bist gestern nicht gekommen. Wenn Du morgen auch nicht kommst, wirst Du entlassen."
Frank: Achso, ok, hmm.
Gaby: Aber …
Fefe: Das dauert aber zumindest 'n Tag, bevor Du die Abmeldung machst.
Frank: Ja, schon klar, ja.
Gaby: Ja, aber offensichtlich wussten die schon, dass er nicht wiederkommt.
Frank: Ok, das heißt also: Irgendjemand hat den eingesackt und hatte ihn quasi im Eisschrank …
Gaby: … irgendwo …
Frank: Ok, aber dieser Atomtest war ja erst sehr viel später, der war ja erst zehn Tage später.
Gaby: Ja.
Frank: Ok, und wie …
Gaby: Hat auch da mit der Eichmann-Geschichte nichts zu tun.
Frank: Das war so … ok …
Gaby: Parallel haben sie benutzt, ja … Haben sie benutzt als Ablenkungs–
Frank: Komplett parallele Handlungsstränge …
Gaby: Genau.
Frank: Ok, und …
Fefe: So aber jetzt fliegt den Amis dieses Erdbeben um die Ohren.
Frank: Ja Moment. Aber die Frage ist ja: Wer hat den denn eigentlich zuerst eingesackt? Weil darauf läuft's ja dann am Ende hinaus.
Gaby: Das ist 'ne gute Frage. Wollen wir jetzt die Figur von Lothar Hermann, wollte wir die hier jetzt einbringen?
Fefe: Joa …
Gaby: Ja, es gibt ja auch irgendwie Leute, die wirklich, denen nicht gut mitgespielt worden ist.
Fefe: Tragischste Figur …
Gaby: Die tragischste Figur eigentlich, ja. Lothar Hermann ist 'n jüdischer Immigrant gewesen, der dann auch erblindet ist und er war ein Nachbar von Adolf Eichmann und hat den Wohnort von Eichmann schon dem Frankfurter Generalstaatsanwalt Fritz Bauer 1957 mitgeteilt.
Fefe: Ein Dachau-Überlebender zwar, ne?
Gaby: Er war auch schon hier 1936 in Dachau gewesen wegen Spionage und Devisenschmuggel, ja. Er war hier auch schon, konnte sich gerade noch mal so retten. Seine Familie, die nicht flüchten konnte, die ist in Auschwitz und Buchenwald ermordet worden. Er ist dann in Argentinien, wie gesagt, er hat dann den Eichmann angezeigt und hatte auch Briefe geschrieben. Ich hab die Briefe, ich kenn die Familie ganz gut. Er wollte dann 'ne Operation draus machen, gegen Eichmann bestand ja ab 1956 auch schon Haftbefehl. Einer der wenigen Nazis, die mit Haftbefehl gesucht wurden. Er hat dann auch mit der jüdischen Gemeinde in Buenos Aires Kontakte gehabt und hat die auch bei sich zu Hause empfangen und gesagt: "Wir müssen da was tun. Wir müssen was machen." Und die halbe argentinische Linke wusste auch, dass da Eichmann ein gesuchter Nazi war und jeder weiß, wo er ist. Und die jüdische Gemeinde, die wussten das alle.
Fefe: Du schreibst in dem Buch, dass, als der Eichmann dann entführt wude, die einzige Presse in Argentinien, die nicht darüber berichtet hat, die kommunistische Presse war.
Gaby: Genau.
Fefe: Das ist ja auch alles unglaublich, oder?
Gaby: Ja. Ich gehe davon aus, dass die Operation ursprünglich mal geplant worden ist von der jüdischen Gemeinde und der kommunistischen Partei und dass sie dann anders verlaufen ist.
Frank: Ok.
Gaby: Aber das ist ein Punkt, der ist noch offen und ich denke, wir sollten uns … Es gibt so viele Sachen, die nicht auf der Spekulationsebene sind. Lassen wir es einfach mal. Es wird irgendwann auch rauskommen.
Frank: Ok, also es gibt sozusagen diese zehn Tage oder zwölf Tage, wo Eichmann weg ist und dann gibt's diese Mossad-Geschichte, dass sie ihn angeblich eingesackt hätten und dann hätten sie nach 'ner Weile in einem Haus gehabt und irgendwie haben ihm dann in 'nen Flugzeug gebracht, das irgendwie ...
Fefe: Na Moment. In dem Buch wird erwähnt, dass der Generalanwalt von Israel nicht wusste, dass Eichmann kommt, bis er im Flugzeug saß. Also das heißt, die zehn Tage wusste auch niemand in Israel, dass der jetzt kommt.
Gaby: Nein, niemand.
Fefe: Auch der Mossad nicht, oder? Da hattest du doch auch irgendwelche Sachen …
Gaby: Das muss man alles abwarten. Auf jeden Fall wussten die israelischen Behörden nicht, dass Eichmann sozusagen … Wahrscheinlich wussten sie's wirklich nicht. Warscheinlich wusste es Ben-Gurion auch nicht. Was hätte denn Ben-Gurion mit dem gemacht, wenn es in Chile nicht gerumst hätte.
Fefe: Na, Flugzeugunfall, oder?
Gaby: Ja, oder vielleicht hätte er ihm die Kehle aufgeschlitzt und auf den Tahrir-Platz nach Kairo gelegt, um auch noch die Ägypter zu beschuldigen, dass sie die Nazis da bei sich haben. Weiß man alles nicht. Aber ich glaube nicht, dass er vor Gericht gelandet wäre.
Frank: Also du gehst schon davon aus, dass ihn zumindest entweder die Amerikaner oder die Israelis eingesackt haben.
Gaby: Ich glaub, dass ihn Argentinier, um eine Propaganda-Aktion zu machen, überredet haben, mitzugehen, und dass er dann von argentinischer Polizei befreit worden ist.
Frank: Befreit worden ist?
Gaby: Genau, kannst ja nicht einfach jemanden entführen in Argentinien. Es gibt noch 'ne Polizei in Argentinien. Das geht so nicht.
Frank: Okay, und dann?
Gaby: Dann muss es irgendeine Übergabe gegeben haben.
Frank: Also du meinst, der wurde in Argentinien von irgendjemand eingesackt, der da eine Propagandaaktion daraus machen wollte.
Gaby: Ja, vergiss nicht, dass am 16. Mai 1960 das Gipfeltreffen in Paris stattgefunden hat von Eisenhower und Chruschtschow, wo es um Teststopp ging.
Fefe: Genau, das haben wir noch gar nicht erwähnt, worum es da eigentlich ging.
Gaby: Und Chruschtschow wollte ein neutrales Gesamtdeutschland mit freien Wahlen und entnazifiziert vorschlagen.
Fefe: Und quasi als Entnazifizierung macht man so – hätte er den Eichmann hingelegt, oder? Das wäre perfekt gewesen.
Frank: Ich hatte auf dem Dachboden bei uns in meinem alten Haus noch zu DDR-Zeiten ein altes Transparent gefunden – für eine freie und entmilitarisierte Stadt Berlin – nein, eine vereinigte und entmilitarisierte Stadt Berlin.
Gaby: Genau, das war der Vorschlag von Ulbricht und Chruschtschow.
Frank: Von 1957 oder 1958 oder so.
Gaby: Ja, das war in der Zeit. Und das wollten die ganz groß rausbringen am 16. Mai 1960. Und das war ganz klar – was hätte denn – seien wir mal ganz realistisch – wenn sich Eichmann gestellt hätte im Mai 1960, und es gab gegen ihn den Haftbefehl – es wirft ihm niemand vor, dass er das mit eigenen Händen gemacht hat; er hat die Transporte gemacht. Sein Vorgesetzter Becher, war erfolgreicher Geschäftsmann; Herr Globke saß im Kanzleramt; in allen anderen Behörden saßen auch seine Kumpels. Was wäre ihm denn passiert? Vielleicht hätte er – wenn er in Deutschland vor Gericht gekommen wäre – vielleicht hätte er drei Jahre bekommen. Das ist noch alles fünf Jahre vor dem Auschwitz-Prozess gewesen, wo sie die Schlächter verfolgt haben. Und er saß da und hat diese Transporte gemacht.
Fefe: Das ist auch noch so ein Detail, was ich sehr spannend finde: Was man in der Schule lernt, ist Eichmann ja der Architekt des Holocaustes …
Gaby: Ach so'n Quatsch.
Fefe: … fast im Alleingang hat der das alles gemacht …
Gaby: … der Einzeltäter …
Fefe: Ja, im Grunde ja – das ist genau der Punkt, auf den ich hinaus will. Das eben im Grunde Israel in diesem Verfahren diese Legende geschaffen hat, dass wir jetzt, wo wir den Eichmann verfolgt haben, können wir damit aufhören, weil er war der Wichtige.
Gaby: Ja, und in dieser Legende wird auch Eichmann in seiner argentinischen Zeit auch noch so bezeichnet, als wäre er in Argentinien auch noch der Antisemit gewesen. Das ist völliger Unsinn. Ich kenn ja Leute aus dem Betrieb, die mit ihm zusammen gearbeitet haben, aus dem Stadtviertel; Eichmann hatte wunderbar, ganz normal mit den jüdischen Nachbarn Kontakte. Eichmann hatte auch Kontakte zur jüdischen Gemeinde in der DAIA; ist ja auch verständlich von deren Perspektive aus – da ist jemand, und der redet seit 1956 mit dem Wilhelm Sassen und macht seine Lebensbeichte, und der hat eine Menge zu sagen und der weiß sehr viel – den willste doch auch nachrichtendienstlich abschöpfen, wie man das so sagen würde. Warum soll die jüdische Gemeinde nicht auch für Israel diesen Mann abgeschöpft haben? Das macht Sinn!
Fefe: Du hast noch so'n Memo – ich weiß nicht mehr welcher Geheimdienst das war – da ging's um das Gerücht, dass er ja für den Mossad arbeiten würde, weil er ja so wunderbar mit diesen Israelis kann, mit den Juden, die da wohnen – das fand ich großartig.
Gaby: Er hat beste Beziehungen zu hohen jüdischen Mitgliedern der Gemeinde. Das ist bewiesen inzwischen. Und sie haben nichts gemacht. Sie haben natürlich von ihm Informationen haben wollen, das ist klar. Hat er ja auch gegeben.
Frank: Ok, so, jetzt mal wieder die Chronologie ein wenig hereinbringen, damit unsere Hörer nicht komplett verwirrt werden.
Frank: Deiner Theorie fehlen noch ein bisschen die Belege, sagtest du gerade?
Gaby: Ja, es gibt natürlich noch viele weiße Flecken, von diesen zehn Tagen im wesentlichen, ich hab da 'ne Theorie, aber wie gesagt …
Frank: … wenn man sie nicht belegen kann, muss man sie ja nicht …
Gaby: … genau, genau. Also das weiß man immer noch nicht – was gut belegt ist, ist alles was dann in Israel mit dem Prozess gelaufen ist; es ist alles sehr gut belegt, was dann mit der Operation Geschäftsfreund gelaufen ist – es ist ja dann gezahlt worden – nicht die 2 Milliarden D-Mark, sondern die 630 über die Kreditanstalt für Wiederaufbau.
Fefe: Die geleitet wurde von diesem Abt, oder?
Gaby: Abs. Kriegsverbrecher, den haben die Allierten …
Fefe: Der vorher die Arisierung durchgeführt hat …
Gaby: … für die Deutsche Bank.
Fefe: Unter den Nazis. Eine lupenreine Karriere.
Gaby: Das war die Vertrauensperson von Adenauer, der auch die Bundesrepublik bei der Londoner Schuldenkonferenz vertreten hat, ganz offiziell. Übrigens – diese Dinge würde ich auch mal gerne aus der Sicht der Bank sehen – ich meine, Abs hat die Bundesrepublik ganz offiziell vertreten bei der Londoner Schuldenkonferenz. Dann hat er ganz offiziell die Bundesrepublik vertreten beim Wiedergutmachungsabkommen. Dann hat er, laut Unterlagen des Auswärtigen Amtes, die Operation Geschäftsfreund mit Details ausgestattet. Das alles sind ja Sachen, die hat er im Auftrag der Bundesregierung gemacht. Wo sind diese Unterlagen? Ich weiß, wo sie liegen. Die liegen im historischen Institut der Deutschen Bank. Und die Deutsche Bank gibt diese Unterlagen – lässt Leute, denen sie vertraut, dass sie auch in ihrem Interesse darüber schreiben, da einsehen. Ich hab also einen Antrag gestellt bei diesem Institut bei der Deutschen Bank – ich möchte sie gerne einsehen – wobei mich ja nur die Dokumente interessieren, die er im Auftrag der Behörden, also der Regierung, gemacht hat. Also was er da mit seiner Sekretärin, oder was er da mit der Deutschen Bank macht, ist sein Privatding.
Fefe: Sollten die nicht im Bundesarchiv liegen?
Gaby: Ja, es ist ja behördliches Material. Es gibt Abgabepflichten der Behörden. Diese Sachen müssen eigentlich im Bundesarchiv liegen. Ebenso wie z. B. der Nachlass von Herrn Globke, der ja immer Staatsbeamter war, sei es im Reichsinnenministerium unter Hitler, oder sei es als Staatsminister für Herrn Adenauer und Leiter des Bundes und Aufsichtsbehörde vom Bundesnachrichtendienstes. Und die Sachen von ihm – der Nachlass liegt in der Konrad-Adenauer-Stiftung. Und auch da habe ich um Einsicht gebeten. Da hieß es zuerst "grundsätzlich nein – Sie nicht", andere Forscher haben da sehr schöne Einsicht bekommen. Zum Schluss haben sie mir dann etwas gezeigt, auch nicht alles, und ich habe dann das Bundesarchiv aufgefordert: Ich möchte diese Akten haben. Ich hab sogar eine Strafanzeige gestellt gegen die Deutsche Bank und gegen die Adenauer-Stiftung wegen Hehlerei. Ist natürlich sofort eingestellt worden. Dann hat mir das Bundesarchiv in Koblenz zurückgeschrieben: Ja, sie bedauern das auch sehr, diese Privatisierung. Es handelt sich hierbei um Bundesarchivmaterial, die gehören eigentlich ins Bundesarchiv, wo sie dann allen Forschern zur Verfügung stehen, unabhängig, ob du die CDU wählst, oder ob du was anderes wählst. Aber sie hätten eben keine Möglichkeiten, da was zu machen.
Und dann hab ich sie jetzt verklagt vor dem Verwaltungsgericht. Ich hab die erste Instanz schon verloren, die zweite Instanz wird übermorgen entschieden. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich die auch verlieren werde. Es ist einfach ein Untertanengeist in Deutschland. Sie bestimmen, wo sie ihr Herrschaftswissen einbunkern, und dann bestimmen sie, wer es kriegt. Du unterschreibst dann ja auch, du musst es denen ja dann vorlegen, bevor du das dann veröffentlichst. Sie bestimmen damit die Linie. Es gibt keine Aktenöffentlichkeit, selbst bei offensichtlichem Verstoß, dass die Leute einfach ihr Zeug mit nach Hause nehmen. Wenn's ihnen so ans Herzen gewachsen ist, können sie sich ja eine Kopie machen, aber die nehmen das einfach mit, die Originale, ich hab dann bei der Adenauer-Stiftung die wenigen Sachen, die sie mich haben einsehen lassen, waren auch streng geheime Sachen; das sind Sachen – Briefverkehr mit dem Bundeskanzler – die gehören ins Bundesarchiv – das ist geregelt durch das Bundesarchivgesetz.
Fefe: Also so eine Szene, wie du im Anfang in Argentinien beschrieben hast, dass die mit Dir und einer Brechstange losgehen, ist hier undenkbar.
Gaby: Das Bundesarchiv, das sind alles treue Beamte ihrer Kanzlerin.
Fefe: Könnten die denn, wenn sie wollten, und wollen nur nicht, oder können die wirklich nicht?
Gaby: Ja, was hindert sie denn daran, z. B. einen Brief zu schreiben an die Deutsche Bank und zu sagen "Liebe Deutsche Bank, wir wissen, ihr habt da die und die Materialien, können wir da nicht 'ne Kopie, oder behaltet doch 'ne Kopie. Schickt uns doch die ganzen Dinge, die uns betreffen, die hierher gehören. Die machen gar nichts. Die sitzen auf ihrem Arsch.
Fefe: Haben die denn da einen Hebel oder wäre das eine Bittstellung?
Gaby: Weißt du, wenn mir das Finanzamt 'nen Bescheid schickt, und da steht drin "Du musst jetzt 12,50 € zahlen", wenn ich die nicht zahle, krieg' ich irgendwann mal Ärger. Ich weiß nicht, wie das läuft … Kommt dann der Gerichtsvollzieher?
Frank: Irgendwann schon.
Gaby: Genau. Ich meine, eine Bundesbehörde muss doch ihre gesetzliche Bestimmung irgendwie durchsetzen können. Warum schickt sie nicht die Polizei dahin?
Frank: Hast du denn eigentlich mal bei den Russen gefragt?
Gaby: Oh ja … [Gelächter]
Frank: Gab's da irgendeine Antwort?
Gaby: Ich hab die ganze Palette … Ich weiß überhaupt nicht, ob die überhaupt ein Informationsfreiheitsgesetz haben – haben die sowas?
Frank: Ich glaube, es gibt da irgendwelche komischen Historiker- und Archivgesetze, aber irgendwie …
Gaby: Man könnte sich eben auf die Verfassung beziehen. Aber ist auch egal – ich hab das versucht – und das einzige, das überhaupt geantwortet hat, war das Außenministerium, und die haben dann gesagt, sie hätten nichts, was ich will.
Frank: Und der KGB wollte dir nicht …
Gaby: … hat gar nicht geantwortet.
Fefe: Die haben sich eine Flasche Vodka geöffnet und gesagt: [Gelächter] "Guck mal, was wir für 'nen schönen Brief bekommen haben."
Frank: Einrahmen und zu den anderen in den Flur hängen …
Gaby: Ehrlich gesagt – ich verstehe es nicht – diese ganzen Geschichten mit den unterirdischen Atomversuchen – die haben sie doch alle mitgekriegt – die sind doch nicht an ihnen vorbeigegangen. Das stand ja auch in der argentinischen Presse, dass da diese ganzen Atomwaffen da mit den Riesen-Flugzeugen gekommen sind. Das stand da in den Zeitungen – die haben es alle mitgekriegt. Die haben ein Abkommen mit den USA – ein Moratorium – es wird ganz vulgär brutal gebrochen – warum haben die das nie an die Öffentlichkeit gebracht? Gut, die Russen haben ihre eigenen Geschichten, mit diesen tektonischen Waffen, mit dem zivilen Gebrauch von Atombomben; natürlich haben die das auch gemacht, aber in der konkreten Situation …
Frank: Naja, in der Sowjetunion war ja der zivile Gebrauch von Atomwaffen ja doch noch recht lange popularisiert, bis hin zu den Sachen, die sie in den 1970er-Jahren getan haben, dass sie da Erdgaslagerstätten miteinander verbunden haben durch Atomwaffeneinsatz.
Gaby: Ja, und Flussläufe auch und so.
Frank: Ja gut, das war noch ein bisschen früher. Da gibt's ja diesen toten See, der aus der Luft sehr beeindruckend aussieht. Das ist so ein See von genau so einem Versuch, und da ist die Strahlung immer noch so hoch, dass da genau nichts lebt – deswegen ist das Wasser strahlend blau …
Gaby: … daher kommt das Wort "strahlend blau" …
Frank: … und ich könnte mir durchauch vorstellen, dass sie halt keine Lust hatten, ihre eigene Taktik dabei zu diskreditieren. Und dass die Amis halt ihren Willen, das auszunutzen, schlicht überschätzt haben.
Gaby: Ja, und es gibt halt auch überhaupt keine Tradition der Öffnung der Archive. Ich meine, Herr Putin kommt vom KGB … Natürlich macht man als Forscher immer diese Anträge, aber soviel habe ich mir ja auch nicht davon versprochen. Ich find's eigentlich schade …
Frank: Also was sich vielleicht lohnen würde, wäre vielleicht mal bei den Briten zu fragen, die ja Mitrokhin haben, diesen KGB-Archivar, der unter den Dielen seiner Datscha über 30 oder 40 Jahre hinweg Exzerpte aus Akten, handschriftliche, gesammelt hat, und die dann irgendwann den Amis angeboten hat, dafür, dass sie da ihn mit seiner Familie da rausholen, 1991 oder 1990, und die Amis haben es halt verkackt, und dann haben ihn die Briten rausgeholt. Da gibt's zwei Bände, die der geschrieben hat mit dem Hagiographer vom MI5, die Mitrokhin-Archive. Die haben zumindest bisschen Kram, da lohnt es sich möglicherweise, mal nachzufragen.
Gaby: Naja, also was hier jetzt passieren muss, wie geht's jetzt weiter? Ich hab in den USA ja diese ganzen Anträge auf Akteneinsicht. Und es gibt in den USA – und das war eine große Errungenschaft der Bürgerrechtsbewegung und der Demokraten – damals war Bill Clinton noch, der hat das auch mit durchgesetzt, dieses Gesetz, das Nazi War Crimes Disclosure Act – dass alles, was mit Nazi-Kriegsverbrechen zu tun hat, alles veröffentlicht werden muss. Wie gesagt, ich hab den Antrag gestellt zu dem Interviewer von Eichmann – der Sassen, der ein CIA-Spitzel war. Dass er für die US-Botschaft gearbeitet hat, das steht in den BND-Unterlagen so drin. Zu den ganzen Sachen habe ich Anträge gestellt, auch zu Helms, Richard Helms, der war danach kurz in Argentinien und hat mit seinen Kollegen vom argentinischen Geheimdienst – die Berichte habe ich auch alle.
Frank: Der musste dann aufräumen hinterher.
Gaby: Die haben Gastgeschenke ausgetauscht, haben so riesen Steaks gegessen. Da war der ganz begeistert von, der Herr Helms. Diese ganzen Sachen habe ich beantragt und hab' mich auch auf dieses Gesetz bezogen, und der CIA hat auch gesagt "Du kriegst jetzt aber hier von uns nichts mehr, jetzt ist hier Schluß." Und dann hab' ich diese Sachen an das Justizministerium geschickt in den USA. [amüsiert] Ich kenn die, ich hab da immer gearbeitet. Und die dann halt: "[ernst] Das geht nicht. Das ist illegal. Das können die nicht machen." Und dann habe ich gesagt: "Das find' ich aber schön. Hier ist der Schriftwechsel, macht ihr was. Das sind eure Behörden." Und dann haben sie dann nach ein paar Wochen dann gesagt, ja das wäre jetzt alles sehr schwierig, aber sie wünschen mir "Good Luck".
Frank: Na super.
Gaby: Ja, und dann habe ich mit diesen Entnahmeblättern, mit den "Withdrawal Sheets", versucht – einiges habe ich da sogar beommen –, also sie geben zu, dass sie diese Atombomben quer durch die Welt geschickt haben, und und und, aber viele Sachen sind eben nach wie vor geheim. CIA sagt "ich krieg' keine Auskunft, weil ich nicht die Staatsbürgerschaft habe".. Das läuft auf ein Verfahren, auf einen Prozess jetzt hinaus. Es ist ja gegen die CIA noch relativ einfach, weil da gilt das "Freedom of Information"-Gesetz, also das Informationsfreiheitsgesetz und eben auch dieses Nazi-Informationsfreiheitsgesetz. Die Sachen, die in den Präsidentenbibliotheken liegen, da gilt es aber nicht, das haben sie rausgenommen – extra rausgenommen – da kann man auch klagen, aber das ist alles komplizierter. Aber sie haben mir ja noch nichtmal eine Ablehnung geschickt. Ich schreib dann ja auch immer alle 3 Monate ans Pentagon, und schreibe an das Department of Energy, da verspreche ich mir etwas von und da liegen die Sachen. Schreib' ich dann hin und sag': "Ja wie ist es jetzt? Ich habe jetzt seit zwei Jahren den Antrag zu laufen, könnt ihr mal entscheiden?". Und dann schreiben sie ganz freundlich immer zurück und sagen, ja sie sind am Arbeiten und ich müsse noch ein bisschen Geduld haben, es muss eine politische Entscheidung jetzt getroffen werden …
Frank: … was wahrscheinlich vor den Wahlen nicht mehr passiert.
Gaby: Ach man weiß ja nicht was da läuft. Im Grunde, was würde denn Obama verlieren? Es ist 'ne Eisenhower-Geschichte gewesen, Kennedy hat dann damit 'nen bisschen aufgeräumt, er hat Plowshare zwar weitergeführt, aber zumindest hat er es dann nicht mehr im Ausland gemacht, und was würde er denn verlieren?
Fefe: Es gibt da noch dieses peinliche Detail, dass die Versuche nach US-Recht illegal waren, also dieses Plowshare-Dings, weil sie die Waffen gar nicht erst nach Argentinien hätten bringen dürfen, weil sie diese Safe-Guards nicht unterschrieben haben.
Gaby: Ja, es gibt den Energy-Act von 1954, das man studieren sollte. Und da steht drin, dass sie nur zusammenarbeiten können mit anderen Nationen, wenn es der eigenen Verteidigung dient. Also zum Beispiel gedacht ist dann, dass man mit den Briten zusammenarbeitet oder so, oder im Rahmen der NATO. Nun war Argentinien in überhaupt keinem Militärbündnis und eigentlich eher kurz davor ein Schurkenstaat gewesen. Also es gab keine Begründung und es gab auch keine militärische Bedrohung irgendwie. Was ist da in Puerto Deseado, da sind ein paar wild gewordene Pinguine, was macht man da mit Atomwaffen? Es gibt dafür keine Begründung. Und nur weil eine private Firma einen Kanal bauen will und weniger Geld für die Lastwagen und das Schuttabtragen ausgeben will, das ist keine Begründung, die im Energy-Act von 1954 vorgesehen ist, also so ganz legal ist das alles nicht. Nichtsdestotrotz: Das ist ewig lange her, ich weiß nicht, warum das in den USA immer noch seit über 50 Jahren geheim gehalten wird, die haben schon ganz andere Sachen freigegeben. Es läuft jetzt darauf hinaus, dass ich jetzt klagen muss. Ich werde das auch tun. Ich habe ja Anwälte in den USA, die mich vertreten in den anderen Sachen, das wird jetzt laufen. Das ist jetzt der nächste Schritt. Ich kann mir aber vorstellen, dass vielleicht die Regierung das doch noch freigibt. Das Auswärtige Amt hat ja fast alles freigegeben.
Fefe: Wie ist denn das ansonsten in Deutschland? Also der BND hatte ja Akten geschickt, bist Du damit zufrieden, oder?
Gaby: Ich hab' die einklagen müssen.
Fefe: Ja, aber jetzt haben sie geschickt. Aber da gab's ja auch Probleme, oder nicht?
Gaby: Ja, sie haben was geschickt, aber sie kopieren da so schlecht, dass man das nicht lesen kann und wie gesagt, 100 Blatt werden vom Kanzleramt immer noch der Offenlegenheit vorenthalten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das abgesegnet. Also wir wissen zu Adolf Eichmann immer noch nicht alles in Deutschland.
Fefe: Meinst Du, das wird sich noch klären oder ist das jetzt halt verloren?
Gaby: Na also ich glaube, mit Frau Merkel wird sich das nicht klären. Frau Merkel tut immer das, was man ihr sagt und sie dreht ihr Fähnchen immer dahin, wo der Wind gerade her weht. Sie möchte sich eben nicht mit Israel anlegen, auch nicht mit den USA. Von demokratischen Grundrechten, ich weiß nicht ob sie davon schon mal was gehört hat. Also ich glaube, mit Aktenoffenlegung, das ist nicht das Ding und ich sehe auch ehrlich gesagt nicht in Deutschland irgendeine Öffentlichkeit, die das nun einfordert. Also gibt es Leute, gibt es große Medien, die sagen: "Jetzt hier, hier muss mal, das muss jetzt mal auf den Tisch!" Der Globke-Nachlass von einem Privatunternehmen von der Adenauer-Stiftung verwaltet wird, geheim gehalten wird und nur denen gezeigt wird, die der Adenauer-Stiftung in den Kram passen? Es ist unsäglich, das hat mit dem Geist von Demokratie, von Entscheidung, von demokratischen Entscheidungsstrukturen überhaupt nichts zu tun. Ich bin mir sicher, dass ich den Prozess hier in Deutschland verlieren werde, ich ziehe ihn auch durch, durch alle Instanzen und notfalls gehe ich da auch nach Straßburg. Da wollen wir mal gucken, ob Straßburg das auch richtig findet. Entweder das ist hier 'ne Demokratie oder sie sagen: "Ja, in der Monarchie war das auch so, dann machen wir das so." Ja, kann man ja sagen, dann sag aber gleich: "Du verscheißerst die Leute. Du erzählst ihnen das, was den Geheimdiensten in den Kram passt, worauf man sich irgendwann mal geeinigt hat. Und auch, wenn es noch so unlogisch ist, Du verscheißerst die Leute anders." Ja, aber dann sag das. Dann ist ja ok. Dann hör' ich auf zu klagen.
Fefe: Also schlussfolgernd kann man sagen: Das Ziel ist eigentlich, dass die den ganzen Scheiß mal offenlegen. Also wir brauchen auch so 'n Gesetz, dass Sachen automatisch nach dreißig Jahren offen sind, oder?
Gaby: Das brauchen wir nicht …
Fefe: Was wäre denn, …
Gaby: … das Gesetz haben wir doch schon.
Fefe: Na da sind doch -zig Ausnahmen drin und dass man auch noch zahlen muss dafür, dass die einem da die Sachen offenlegen. Also das ist ja … Ich hatte bisher den Eindruck, dass das Informationsfreiheitsgesetz in Deutschland eher so 'n Papiertiger ist, den sie gemacht haben, damit sie zeigen können: "Wir haben ja auch so 'n Gesetz." Aber es ist nicht wirklich hilfreich in der Praxis.
Gaby: Naja, das Bundesarchivgesetz ist noch 'n anderes Gesetz und das sagt: Nach 30 Jahren ist Schluss. Sie halten trotzdem eben noch die sachen geheim. Das gilt für den Kleinen Krisenstab 1977, Stammheim und es gilt eben für Adolf Eichmann und es gilt wahrscheinlich für ganz viele andere Sachen, wo einfach niemand klagt. Wo sind denn die Leute, die jetzt hier den Gerichten die Bude einrennen? Ist ja auch nicht der Fall! Und auch die Medien tun sich damit abfinden.
Fefe: Medien finde ich 'n gutes Stichwort! Wieso liest man denn Enthüllungen wie die Deinen nicht beim Spiegel oder in der Welt oder halt sonstwo?
Gaby: Ich kann Dir es genau sagen, was der Spiegel jetzt … In meinem Verfahren habe ich ja Akteneinsicht, sonst würde ich das ja nicht erfahren. Aber in dem Verfahren gegen 's Bundesarchiv, die ich ja wegen Untätigkeit verklagt hab', weil sie das zulassen, mit der Deutschen Bank und der Adenauer-Stiftung, stelle ich dann fest, dass das Bundesarchiv in meinem Fall sich in keinster Weise um die Bereitstellung dieser Akten bemüht hat. Nicht mal beim Kanzleramt. Und dann stellt nach meiner Sendung, die hab ich im Deutschlandfunk gemacht, die hat wohl der Spiegelredakteur da auch gehört, und der stellt dann zwei Wochen später einen Antrag beim Bundesarchiv. Und da tut sich dann plötzlich das Bundesarchiv bewegen und stellt beim Bundeskanzleramt nun so 'n Antrag. Ich hab' dem Kollegen dann vom Spiegel 'ne E-Mail geschrieben, habe gesagt: "Also, wissen Sie was: Richtig kollegial ist das ja nicht! Wir sind uns ja einig: Das ist mein Antrag." Sagt der: "Nöö, sind wir uns keineswegs einig!" Das heißt, es gibt eine Bevorzugung von bestimmten Medien, vom Bundesarchiv und von anderen Bundesbehörden und das ist die Bild-Zeitung und das ist der Spiegel.
Fefe: Bei denen sie wissen, dass sie in ihrem Interesse berichten, oder?
Frank: Naja, ich denke mal, es wird zwei Faktoren haben. Zum einen werden sie sich da einigermaßen sicher sein, dass wenn 's wirklich eklig ist, dass man da halt immer noch Strippen ziehen kann. Und zum anderen ist es halt so, dass sie da natürlich im Zweifel 'ne größere Menge Stress und Ärger erwarten als jetzt von Dir, was jetzt irgendwie …
Fefe: … wenn sie 's nicht rausgeben …
Frank: Wenn sie halt gar nichts tun.
Fefe: Gut, aber das ist jetzt ja auch unsere Aufgabe, da mal ein bisschen Stunk zu machen.
Frank: Klar.
Fefe: Also, liebe Hörer … [lacht]
Gaby: Ja, und ich meine, man muss diese Rechte auch einklagen.
Fefe: Das geht nur solange, wie wir das dulden, ne?
Gaby: Ja, aber ich meine, lass uns mal auf 'ne allgemeine Geschichte kommen. Wir haben ja das Informationsfreiheitsgesetz und wir haben das Bundesarchivgesetz. Das Informationsfreiheitsgesetz ist dafür, abgesehen davon, dass es tausend Fehler hat, aber das nimmt von vorne rein die Geheimdienste aus. Das Bundesarchivgesetz nicht. Aber das Informationsfreiheitsgesetz schon. Also ich meine, erstens …
Frank: Also außer einige Länder-IFGs. In Berlin zum Beispiel gibt's zumindest ein theoretisches Einblicksrecht in die Akten des Verfassungsschutzes. Also in Deine Akten des Verfassungsschutzes.
Gaby: Das sieht personenbezogene Sachen. Das ist, wenn Du wissen willst, was der Verfassungsschutz …
Frank: … über Dich hat.
Gaby: Genau.
Frank: Aber größere Vorgänge sind davon ausgenommen.
Gaby: Genau.
Fefe: Für Historiker ungeeignet, ne?
Gaby: Ja, aber was machen denn die Historiker? Die halten doch auch ihre Schnauze!
Frank: Ich hab' so 'n bisschen immer den Eindruck, dass der Wille, genau zu verstehen, was in der Vergangenheit passiert ist, bei vielen Leuten, auch bei vielen Journalisten nicht so richtig ausgeprägt ist. Also so einfach dieser Biss zu sagen, ok, ich hab' hier was gelernt in der Schule und ich hab's in der Wikipedia gelesen und der Tagesschau gesehen und im Spiegel gelesen, …
Fefe: … gucken wir doch mal, ob das stimmt, …
Frank: … aber ist das das, was wirklich passiert ist? Also ist das nicht nur 'ne Fiktion, auf die wir uns geeinigt haben, weil sie …
Gaby: … bequem ist …
Frank: … bequem ist und das Weltbild nicht in Frage stellt? Oder wollen wir uns dann wirklich mal mit den dreckigen Details auseinandersetzen und auch den Motivationen der Leute, wieso sie dreckige Deals gemacht haben oder wieso sie halt in bestimmten Situationen in bestimmter Art und Weise gehandelt haben, weil nur daraus können wir eigentlich wieder was lernen für die Zukunft. Weil aus den geschönten Geschichten, die wir präsentiert bekommen, da kann ich ja persönlich wenig lernen. Also da ist ja wenig … also daraus kann ich auch keine Folgerungen daraus ziehen, wie Leute in anderen extremen Situationen in der Zukunft handeln werden. Und dieser Biss fehlt halt einfach. Also auch gerade beim Spiegel, wenn man da so die geschichtlichen Aritkel liest, da hat man immer dieses Problem …
Fefe: Das ist dieser Guido-Knopp-Historikerkram.
Frank: Ja, diese Guido-Knopp-Nummer …
Gaby: Das ist peinlich!
Fefe: Nee, aber ich finde, der Spiegel ist genau so 'ne … Lass uns mal einen Überbegriff finden für diese Art von …
Frank: Lass mich mal meinen Punkt noch machen. Was mir da immer wieder aufstößt ist, dass die Geschichten zu gut sind. Das passt halt einfach alles zu gut, es ist alles viel zu plausibel, es gibt da keine Brüche, es ist wie auch immer alles in so einer schönen logischen erzählbaren Geschichte. Natürlich ist es das, was wir lesen wollen. Also die guten Geschichten sind halt die, denen man gut folgen kann, deren Komplexitätsgrad nicht zu groß ist, wo wir halt nicht unser Wahrnehmungsvermögen – was wir bereits sind, bei einem solchen 10-Seiter zu lesen – überschreiten. Und die Geschichte, die Du hier erzählst, mit Eichmann und den Atomtests, die ist halt schon wieder genau eins drüber. Das ist halt genau wieder so ein Punkt, wo das Komplexitätserfassungsvermögen des Normal-Lesewilligen überschritten wird, weil du halt plötzlich drei komplett unterschiedliche Handlungsstränge hast, die in so einem Punkt kulminieren in der Weltgeschichte, von dem man denkt, der ist schon total ausgeleuchtet, und von dem man denkt, da ist alles total gut schon verstanden. Plötzlich stellt man fest, dass stimmt ja alles garnicht, und jetzt müssen wir uns mit völlig neuen Konzepten und Gedanken auseinandersetzen und den Folgerungen, die daraus passieren.
Fefe: Na oder, wir stellen uns einfach mal plump hin und sagen: "Das ist doch Verschwörungstheorie", wie das die Presse ja ganz gerne mal tut.
Frank: Klar.
Fefe: Wie gehst Du denn damit eigentlich um.
Gaby: Mit was?
Fefe: Wenn irgendein Redakteur in irgendeinem Blatt in Deutschland schreibt: "Jaja, die Weber mit ihren Verschwörungstheorien immer."
Gaby: Es gab, also von den Rechten, gab es eine Rezension in der "Welt", da kann ich nur sagen, dass sind Primitivlinge. Der hat sich da noch dazu verstiegen zu sagen - also er versteht ja Frau Merkel, dass sie die Akten nicht rausgibt –
Fefe: [schallendes Lachen]
Gaby: Jaja. Also damit möchte ich mich eigentlich ungerne auseinander setzen, weil er ja nicht inhaltlich auf die Sachen eingeht. Dann hat es in der "FAZ" eine Besprechung gegeben von Rainer Blasius – er macht ja die Bücherseite –, wobei der Blasius ja eigentlich ein ganz kluger Typ ist. Der hat nämlich selbst Ende der neunziger Jahre, da war er glaube ich schon im Institut für Zeitgeschichte, über die Operation "Geschäftsfreund" geschrieben. In den neunziger Jahren haben sie zum Teil angefangen das zu deklassifizieren. Er hat damals diese Geschichten gehabt und ich habe den Rest der Sachen freigekämpft, aber er weiß das und ich habe ihm dann eine E-Mail geschrieben, und er ist mir auch wieder mit der Verschwörungsgeschichte gekommen, und ich dann: "Also wissen Sie was Herr Kollege, Sie haben die Geschichte doch damals recherchiert. Schreiben Sie doch mal was dazu! Ich habe sie auch zitiert." Es war ein guter Artikel den er damals gemacht hat. "Können Sie dazu nicht mal was machen, oder passt das nicht in ihr Weltbild hinein?" Er hat dann nicht mehr geantwortet - z. B. "Ja wie nett" und überhaupt – er hat nie mehr etwas gemacht.
Fefe: Tja. Also was mir auch auffällt in diesem Buch, auf 200 Seiten kommen 700 Fußnoten, also da drängt sich alles andere als der Eindruck auf, dass es hier irgendwelche Phantasiegeschichten sind, sondern da ist ein unglaublicher Aufwand dahinter gewesen, diese ganze Scheiße auszurecherchieren. Kann das eine Zeitung überhaupt machen? Also kann man das überhaupt erwarten von der Presse, so wie die Landschaft heute aussieht, das irgend eine Zeitung jemanden ein paar Jahre abstellt, um so eine Geschichte zu recherchieren?
Gaby: Also pass auf, ich bin freiberufliche Journalistin. Ich verdiene mir meinen Lebensunterhalt durch diese, durch irgendwelche Geschichten, und das sind ganz andere Geschichten. Was ein Korrespondent macht, dass sind Wahlen in Paraguay, oder – was weiß ich – Bergbau in Argentien, oder Karneval in Rio, irgendwie sowas und damit verdient man sein Geld. Aber wenn du es doch irgendwie ernst meinst mit deinem Job, du willst doch Deinen Job auch irgendwie gut machen. Das kannst Du bestimmt nicht bei jedem Thema machen, weil du die Zeit nicht hast. Aber du kannst doch mal Themen nehmen und die außerhalb der ökonomischen Logik recherchieren und einfach mal am Ball bleiben. Ich recherchiere das jetzt zwar schon sehr lange, aber ich mach das ja nicht als Fulltime, sondern ich mache das nebenher, wenn ich mal wieder mal ein paar Tage Zeit habe, dann gehe ich ins Archiv und mach das, und mach das, und tue das. Und ich habe dann aber auch noch andere Geschichten, die ich dann auch noch mit der Reise verbinde. Wenn ich nach Puerto Deseado fahre, dann mach ich da auch noch was über die chinesischen Erdöl-Bohrer in Patagonien, also das muss man dann schon sehen, wie man das dann finanziert kriegt. Aber die können sich dann natürlich auch sich so Themen – wenigsten ein paar Themen mal ab und zu – mal vorknöpfen, und da mal wirklich zu den Originaldokumenten hingehen. Und nicht immer nur – die Historiker zum Beispiel, die schreiben immer nur voneinander ab, ja? Musst Dir mal die Fußnoten angucken! Die zitieren sich immer gegenseitig, aber dass die mal wirklich in die Archive gehen und das Originaldokument sehen und wenn sie es nicht kriegen, dahinter sind und die Freigabe …
Fefe: … freiklagen …
Gaby: … ja, oder überhaupt einmal darum bitten. Machen sie nicht. Das sind faule Säcke einfach auch. Das ist eine Frage der Bequemlichkeit. Ich meine es gibt in Deutschland keine Tradition des investigativen Journalismus und es gibt auch nicht die Tradition, Sachen zu hinterfragen und die Regierung für Lügner zu halten. Und da kann man sich natürlich fragen, halten wir die Regierung für Lügner, oder halten wir sie nicht für Lügner?
Frank: Ähm.
Fefe: Tja.
Frank: Also was ich ja so ein bisschen beobachte, ist dass in den letzen Jahren dieser Trend sich – nicht wendet, aber dass es auch nicht viel schlimmer wird. Also, dass zumindest nochmal einzelne isolierte Inseln von investigativem Journalismus gibt, durchaus getrieben durch Wikileaks, sicherlich, aber auch durch Leute wie Dich, die zeigen, dass es geht, dass man Geschichten finden kann. Meinst Du, dass sich dieses Blatt noch weiter wenden kann? Es gibt einzelne Leute, Zastrow bei der FAS zum Beispiel, der sich dann in so ein Thema richtig reinkniet, wie diese Odenwaldschule z. B., oder einzelne Leute beim Spiegel, die sich dann wirklich in so ein Thema festbeissen. Die immer mal wieder dazu Sachen machen. Aber das sind wirklich – wenn man die alle in eine Turnhalle sperren würde, wäre immernoch viel Platz. Wenn man mal eine Party veranstalten wollte, mit allen recherchierenden Journalisten in Deutschland. Meinst Du, dass sich da was tut, was ändert?
Gaby: Das sind im Grunde die einzigen Geschichten, die sich lohnen zu lesen. Alles andere kannst Du wirklich in der Pfeiffe rauchen. Aber das sind eher Ausnahmen. Und die Tendenz ist ganz ganz furchtbar. Ersten kannst Du davon nicht mehr leben, weil auch im Journalismus die Honorare so gering geworden sind, dass Du davon eigentlich nicht mehr leben kannst. Wenn Du Dir dann noch den Luxus erlaubst, wirklich mal Monate oder gar Jahre in so ein Thema zu investieren, dass kannst Du eigentlich nicht machen. Das kannst Du nur als Hobby oder … Ja! Du beißt Dich dann mal fest …
Frank: … steckst Dein Steckenpferd …
Gaby: … Genau! Und Du liest das ja von anderen Kollegen und die sind klasse dann, diese Sachen. Aber insgesamt? Das Problem ist auch: Die Leute sind überhaupt auch in der Lage, überhaupt mal Artikel zu lesen, der über fünf Seiten geht, im …
Frank: … da bin ich im Übrigen nicht so pessimistisch wie viele andere. Ich hab …
Fefe: … vor allem wegen alternativlos …
Frank: … da auch Datenmaterial dafür. Zum Einen sehen wir, dass unsere langen Sendungen sind die, die am besten laufen. Wir haben bei langen Sendungen überproportional hohe Downloadzahlen und auch ne Menge Feedback von Leuten, die sagen "Super", endlich mal ein Thema richtig ausführlich. Zum Anderen ist es auch so, dass mir gerade auch die Leute aus der Presse, aus den Wochenzeitungen insbesondere, sagen: "Die Leute wollen – nicht jeden Tag – so eine lange Story, aber zumindest zum Wochenende, oder einmal in der Woche und da lesen sie dann eben eine lange Geschichte, als diesen kurzen, bunten dpa-Printout-Salat, der auch die Presse dominiert."
Wenn man sich auch die amerikanische Presse anguckt – wired experimentiert ja damit durchaus, dass die auch mal wieder richtig lange Geschichten machen. Also so richtig viele Seiten, die sich einem Thema widmen. Das Feedback, was die darauf bekommen ist, dass es offensichtlich eine Menge Leser gibt, die sowas wiederentdecken, die das gerade benutzen, um sich mal auf nur ein Ding wieder zu konzentrieren und rauszukommen aus diesem Gespringe und dem dauernden Abgelenke und diesem "jetzt ist ja schon so lange"-Ding und da wieder in den Flow zu kommen. In sofern bin ich da tatsächlich nicht pessimistisch, was das angeht, sondern glaube eher, dass das eine Zwischenphase ist, wo wir uns alle mal an das Internet gewöhnen mussten. Zum Beispiel der Rolling Stone oder Mother Jones, die bringen immer wieder richtig lange Geschichten und die Klickzahlen darauf sind gut. Es ist nicht so, dass die das nur machen, weil sie sich dazu verpflichtet fühlen, sondern sie machen es gerade, weil sie da viele Leser kriegen.
Gaby: Es gibt da noch ein Problem: Du kannst einfacher einem Poltiker irgendwas ans Bein binden, oder kannst sagen "ja, der Verfassungsschutz sind alles Blödmänner" … sind sie natürlich, aber das ist alles relativ einfach im Moment. Aber über das Thema, über das wir heute abend gesprochen haben, da geht es erstens um richtig big crime, und zweitens, und das ist viel viel schlimmer, geht es um ganz viel Geld.
Gaby: Hier sind Großunternehmen mitbeteiligt. Es geht hier nicht nur um die Regierung. Dahinter stecken immer die Firmen. Wir haben angefangen, wie komme ich denn an die ganze Geschichte? Am Anfang standen die vierzehn verschwundenen Betriebsräte von Mercedes Benz in Argentinien. Und da geht es auch um Geld. Die haben das nicht gemacht, weil sie so Sadisten oder so mordlüstern waren, sondern weil sie die Produktivität erhöhen wollten. Und das hat ja auch funktioniert, damals. Wir sind ja jetzt im Obersten Gerichtshof der USA angelangt. Die werden jetzt über die Zulässigkeit dieser Klage entscheiden. Ich frag Dich mal zurück: Wer hat in der Bundesrepublik angesichts dieser Größenordnung, das dieser Fall in der USA vom Obersten Gerichtshof jetzt verhandelt wird – und das Verfahren ist anhängig – wer hat denn darüber berichtet?
Frank: Niemand!
Gaby: In den USA war auch nicht viel mehr. Und in Argentinien auch nicht viel mehr, und da sind Menschenrechte ein Thema. Überall da, wo Du wirtschaftliche Interessen angehst, da werden die Leute so klein.
Frank: Eigentlich sollte man ja denken, dass da die Öffentlichkeit genau diese Lücke füllen sollte. Wir hatten ja in unserem Gespräch mit Herrn Döpfner genau diese Frage, wie das Verhältnis zu den großen Anzeigenkunden aussieht. Die Antwort war alles andere als befriedigend. Die klang auf der Oberfläche ziemlich klar …
Fefe: … ich fand die klasse.
Frank: … war im Kern jedoch …
Fefe: Er meinte so, "ja, wir haben intern so eine Richtlinie rausgegeben, dass es das bei uns nicht, dass Anzeigenkunden Einfluss nehmen können". Aber dann fing er an, das abzuschwächen. Und am Ende meinte er, die Modeberichterstattung sei völlig verloren. Ich hab nicht mehr die Zeit gehabt zu fragen, ob auch "Bild der Frau" gemeint ist, aber im Wesentlichen war das eine Bankrotterklärung, fand ich. Ist ja auch so, das war ja im Grund jedem klar, wir wollten es nur mal hören.
Wer soll denn das überhaupt machen können, die Öffentlich-Rechtlichen? Es gilt ja schon lang, wenn Du im öffentlichen mal eine 45-Minuten-Sendung machen kannst …
Gaby: Ja, die ganzen Sender werden ja "entwortet", heißt das.
Fefe: Was? Erzähl mal!
Gaby: "Entwortet", ja das ist eine Entwortung. Die großen Feature-Geschichten macht ja kaum noch jemand …
Frank: … vielleicht noch Deutschlandradio …
Gaby: … da gibt es riesige Ko-Produktionen, da sind dann fünf Produktionen im Jahr, davon kannst Du nicht mehr leben und davon kannst Du auch keine Recherche mehr bezahlen. Im Hörfunk geht noch einiges, aber das Fernsehen … ich möchte, glaube ich, darüber die Aussage verweigern.
Frank: Ja, da brauchen wir nicht drüber reden. Ich glaube, die Mehrzahl unserer Hörer guckt gar nicht mehr soviel Fernsehen, was ich ganz gut finde …
Fefe: Die haben auch keine Zeit mehr, weil sie immer unsere langen Sendungen hören müssen.
Frank: Stimmt genau.
Fefe: Wir sind auch jetzt schon bei 2 Stunden 16 Minuten.
Gaby: Ich muss unbedingt jetzt ein Glas Wein trinken.
Fefe: Wir sind auch inhaltlich fast am Ende.
Frank: Genau, wir sind inhaltlich am Ende. Worüber wir nicht geredet haben, ist der Prozess von Eichmann, als er dann in Tel Aviv war …
Fefe: Das ist eine Muppet-Show, in dem Buch. Das kann ich jedem empfehlen.
Frank: … und sie ihn vor Gericht gestellt haben. Ich glaube, das lassen wir mal als Spannungsboden
Fefe: Unglaublich! Sucht euch das Buch, es heißt "Eichmann wurde noch gebraucht".
Frank: Wir werden es auch verlinken. Es ist auf jeden Fall extrem spannend. Ich hatte auch noch keine Zeit, es komplett durchzulesen, aber die Sachen, die ich gelesen habe, da blieb mir teilweise echt der Mund offen stehen. Und ich kenne mich eigentlich nun ein bisschen aus, in diesen Themen. Insofern lassen wir das mal als Hausaufgabe für unsere Leser, insbesondere das Kapitel über den Prozess gegen Eichmann. Und dann bleibt uns eigentlich nur, uns zu bedanken für Deine Zeit.
Gaby: Ne, Umgekehrt!
Frank: Und wenn ihr Lust habt, wir haben da unten noch einen Flattr-Button, auf den ihr klicken könnt, wenn ihr möchtet. Und ansonsten bedanken wir uns fürs Zuhören und bis zum
Frank + Fefe: Nächsten Mal.